Oh Mein Gott ! Warum, Warum...?
Wir sind geboren um uns zu lieben, und man lernte uns uns haßen.
Wir sind geboren um zu leben, und man lernte uns uns zu massakrieren.
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Warum, Warum...?
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Die folgenden Tage wurden noch gefährlicher. Die Armee, die Opposition und der burundische Justizapparat schienen ihre Kräfte auf die Ausschaltung des Parlaments, der einzigen noch funktionierenden demokratischen Institution zu konzentrieren, nachdem der von Tutsis dominierte Sicherheitsrat bereits Präsident und Regierung unter seine Kontrolle gebracht hatte.
Abgeordnete wurden schon wieder gejagt. Der Parlamentarier Juvénal Manirambona und seine Kinder fielen am Sonntag, dem 10.12., abends einem Attentat zum Opfer. Mitglieder der Tutsi-Todesschwadron Sans Echec warfen eine Handgranate in das Auto, in dem er mit seinen vier Kindern saß. Er selbst und seine älteste Tochter starben, die anderen Kinder wurden ins Krankenhaus gebracht.
Manirambona war Abgeordneter aus Kayanza, einer Provinz, in der schon zwei Gouverneure Mordanschlägen zum Opfer gefallen waren. Er war erst vor zwei Wochen zuvor zum Direktor der Sozialversicherung INSS ernannt worden.
Genau eine Woche später, am 17.12. morgens, wurde die Leiche des Abgeordneten Innocent Ndikumana im Kofferraum seines Wagens gefunden. Der erst 32-jährige ist den Spuren an seiner Leiche nach erdrosselt worden. Er war am Abend zuvor um 20.00 Uhr bei der Rückfahrt vom Krankenhaus Prinz Louis Rwagasore in Bujumbura entführt worden. Er wurde ohne Zweifel von Todesschwadronen umgebracht.
Von den insgesamt 65 Abgeordneten dieser Partei wurden seit dem Putschversuch 15 ermordet. Das war nicht alles. In einem Schreiben vom 21.12.95 verlangte der Generalstaatsanwalt, Butasi, die Aufhebung der Immunität von 5 Parlamentariern der FRODEBU. Die Anschuldigungen gegen diese Parlamentarier waren ganz klassisch: "Das Schüren des ethnischen Hasses, die Bewaffnung der zivilen Bevölkerung, die Rekrutierung und die Unterhaltung von bewaffneten Banden". Der Auftakt der Kampagne zur Vernichtung des Parlaments wurde in einem "Memorandum Gewerkschaft der burundischen Magistrate" vom 30.10.95 gegeben.
Durch diese Handlungsweise bekannte sich die burundische Justiz zu den Putschisten der Armee und den extremistischen Kräfte der Tutsi-Opposition, die seit dem Putschversuch vom 21. Oktober 93 mit allen Mitteln die Macht zurückerobern wollten. Sie schraken auch nicht vor Einschüchterung und Mord an den Führungspersönlichkeiten der Sieger der demokratischen Wahlen vom Juni 93 zurück.
Die Planung und Durchführung der ethnischen Säuberung ging immer noch weiter. Am Sonntag, den 17.12.95 hielt der Vorsitzende der extremistischen Tutsi-Partei PRP Mattias Hitimana im Stadtteil Ngagara ein Treffen mit Mitgliedern der Todesschwadronen ab. Hitimana war Waffenhändler und Finanzier der Todesschwadronen "Sans Echec" und "Sans Defaite" und dabei belgischer Staatsbürger. An diesem Treffen wurde der Plan für die "ethnische Säuberung" von Mutanga-Nord besprochen und es wurden Handgranaten und Gewehre verteilt. Nachmittags um 16.00 Uhr fuhr Hitimana selbst zu einem Platz etwas außerhalb von Mutanga-Nord, auf dem etwa 2000 Hutu-Flüchtlinge aus den Dörfern der Umgebung kampierten, die in den letzten Wochen Opfer von Massakern waren. Er forderte die Flüchtlinge per Lautsprecher auf, den Platz zu verlassen, andernfalls werde man gegen sie vorgehen.
Gegen das Ende des Jahres 95 ging das Gerücht in Bujumbura um, Major Buyoya, Expräsident wolle mit Gewalt die Macht zurückerobern. Er hatte gehen müssen, nachdem Melchior Ndadaye die demokratischen Wahlen vom Juni 1993 gewonnen hatte. Bei einem Treffen, am 16.12.95, an der ethnisch gesäuberten Universität von Burundi, mit Vertretern der Leitung der UPRONA und Geschäftsleuten, kündigte Buyoya an, er wolle "die wahre Demokratie herstellen".
Seine Rückkehr an die Macht könnte jedoch den Konflikt in Burundi noch verschärfen, denn er wurde von vielen als einer der Rädelsführer beim Putschversuch vom 21.10.93 gesehen. Die rebellierende Einheit, die den Präsidenten Ndadaye und einige seiner engen Mitarbeiter ermordete, kam aus dem Lager seiner persönlichen Garde.
Inzwischen wurden immer noch Augenzeugen des Putschs und der Massaker ermordet. Am 28.12.95 wurden drei Militärs, die an dem Putschversuch vom 21.10.93 teilgenommen haben sollen, im Gefängnis Muha ermordet. Dem burundischen Rundfunk nach sollen die drei Soldaten erschossen worden sein, als sie versuchten zu fliehen. Beobachter vor Ort aber waren der Meinung, daß sie eher liquidiert wurden, damit sie vor der Internationalen Untersuchungskommission über den Putsch-versuch und die Massaker, die danach folgten, nicht aussagen konnten. Die getöteten Militärs sind Augenzeugen der Ermordung von Präsident Ndadaye und einiger seiner engen Mitarbeiter gewesen. Ein erster Versuch, die drei Militärs zu ermorden, war am 21.10.95 gescheitert.
Auch Zivilisten, die etwas über den Putsch-versuch aussagen könnten, werden bedroht. Gefährdet ist außerdem jeder, der Kenntnis von der Struktur der Tutsi-Todesschwadronen "Sans-Echec"/Sans-Défaite" hat und als "unsicher" klassifiziert wird. Aus diesem Grund wurden viele Hutu der UPRONA ohne weiteres umgebracht.
Am 3.1.96 um 5.00 Uhr früh haben Militärs, Gendarmen und Mitglieder der Todesschwadron "Sans Echec" ein Flüchtlingslager am Denkmal der Nationalen Einheit in Bujumbura umzingelt, die Flüchtlinge vertrieben und ihre behelfs-mäßigen Unterkünfte zerstört. Die 2000 Flüchtlinge, die sich vor den Massakern der Militärs in Gasarara Mitte November und Sororezo anfangs Dezember nach Bujumbura hatten retten können, wussten nun nicht mehr, wohin.
Dies ist einer der vielen Fälle, in dem Flüchtlinge in offener Zusammenarbeit von extremistischen Tutsi-Politikern, Armee und Todesschwadronen vertrieben wurden.
Die Angst der Hutu wurde schon wieder verstärkt, als Premierminister Antoine Nduwayo auf einer Pressekonfernez am 30.12.95 den Burundern für das kommende Jahr einen grausamen Krieg ankündigte. Dabei sprach er allerdings weder von den Massakern an der Zivilbevölkerung noch von der systematischen Ermordung demokratischer Politiker durch die Todesschwadronen.
Gleichzeitig wurden inhaftierte Mitglieder von Todesschwadronen bedingungslos freigelassen.
"...Das Jahr 1996 wird für unser Land und damit für alle Burunder außerordentlich schwierig werden, denn der Krieg wird sich verschärfen. Es wird viele Leiden und Opfer geben...Die Regierung anerkennt, daß wir uns im Krieg befinden." sagte Nduwayo.
Der Premierminister erwähnte mit keinem Wort, was die wichtigste Aufgabe der Regierung sein müßte: der Schutz der Zivilbevölkerung, die gerade in den letzten Monaten mehreren Massakern durch die Armee zum Opfer fiel. Ebensowenig erwähnte er die ethnische "Säuberung" der Hauptstadt, der Schulen und der Universität noch die Ermordung von demokratischen Politikern nach den Todeslisten der Todesschwadronen.
Stattdessen erklärte er: "Wir werden darum kämpfen, einen Teil der Bevölkerung aus der Geiselhaft des Feindes Nummer eins zu befreien: der Ideologie des ethnischen Hasses, der Ausgrenzung, der Eliminierung und des Völkermords von Hutu Milizen:" Die Ideologie der Tutsi-Extremisten erwähnte er nicht.
Wie zur Bestätigung seiner einseitigen Ankündigungen wurden gleichzeitig 19 Mörder bedingunglos freigelassen: 11 Studenten, die bewaffnet und in Uniform im Wald Tora verhaftet worden waren, 6 Mitglieder der Todesschwadron "Sans Echec", die für zahlreiche Morde verantwortlich gemacht werden. Unter ihnen ist Jesus-Marie, dem der Mord an Fridolin Hatungimana, Staatssekretär für Entwicklungs-zusammenarbeit unter Buyoya und die Ermordung von Energieminister Ernest Kabushemeye vorgeworfen wurde. Auch 2 Militärs, darunter Mathias genannt Gahushi, der wegen der Ermordung einer ganzen Familie im Gefängnis saß.
Diese Entlassungen schienen mit der Tätigkeit der Internationalen Untersuchungskommission der UNO über die Ermordung Präsident Ndadayes zusammenzuhängen. Die Entlassenen konnten mit der Drohung, sie würden alles sagen, was sie über die Hintermänner des Putsch-versuchs wussten, ihre Freilassung erpreßt haben. Am 28.12.95 waren im Gefängnis Mpimba drei Militärs als lästige Zeugen beseitigt worden.
Während die Mörder von Demokraten und unschuldiger Bevölkerung freigelassen wurden, saßen nach Angaben der Mehrheitspartei FRODEBU über 5000 ihrer Anhänger ohne Anklage und Verfahren willkürlich verhaftet im Gefängnis.
Am selben Tag der Pressekonferenz hatte der Premierminister, der selber auf Druck der Todesschwadronen gegen den Willen seiner eigenen UPRONA-Partei an die Macht gekommen war, an einem Treffen extremistischer Tutsi im ethnisch gesäuberten Stadtteil Ngagara teilgenommen. Dort trafen sich - Déo Niyonzima, Vorsitzender der SOJEDEM, einer Planungszentrale der Todesschwadronen, - Mathias Hitimana, deren Finanzier und Vorsitzender der Extremistenpartei PRP - einige Offiziere und - einige Vertreter der Todesschwadronen mit dem Premier. Sie berieten über die weitere Ausbildung der Todesschwadron "Sans Echec" und beschlossen die Liquidierung der noch übriggebliebenen Hutu auf hohen Posten in staatlichen und parastaatlichen Unternehmen, damit diese an in ihrem Sinne-zuverlässigene Tutsi übergeben werden konnten.
Journalisten wurden auch nicht verschont. Am Mittwoch, 11.1.96, wurde der Korrespondent von Radio France Internationale Jean-Hélène beim Verlassen seines Hotels von der Gendarmerie in Bujumbura festgenommen und zum Verhör gebracht. Nach Aussagen des Militärs wurde er verhaftet, weil er als Journalist ein Pseudonym benutzte, das nicht mit dem Namen in seinem Paß übereinstimmte. Nach seiner Entlassung sagte er, in seiner fünfjährigen Korrespon-dententätigkeit in Ostafrika passiere ihm das zum ersten Mal.
In Wirklichkeit handelte es sich um eine Einschüchterung, denn Jean-Hélène hatte mehrfach über Massaker an der Zivilbevölkerung durch die Armee, Gendarmerie und Tutsi-Todesschwadronen berichtet.
Sowohl einheimische wie ausländische Journalisten sind im Jahre 1995 in Burundi Opfer politischer Morde geworden:
- Zwei Journalisten, beide Hutu, Alexis Bandyatuyaga und Pamphille Simbizi, wurden ermordet;
- ein südafrikanischer Journalist wurde getötet und sein Material konfisziert, als er von der Untersuchung eines Massakers durch Armee und Tutsi-Milizen in der Provinz Kayanza nach Bujumbura zurückkehrte.
- Mehrere Journalisten, alle Hutu, mußten wegen Mordandrohungen ins Ausland fliehen, weil sie gewagt hatten, die Wahrheit zu verbreiten. Unter Ihnen sind Salvator Sunzu, Celsius Nsengiyumva und Clément Kirahagaze.
- Zwei englische Journalisten wurden verfolgt und ihr Material beschlagnahmt, als sie die Morde an der Bevölkerung von Gasenyi und Kamenge, anläßlich sogenannter Entwaffnungs-Aktionen, untersuchten.
Das nationale Radio und Fernsehen, welches von dem Militär nahestehenden Tutsi beherrscht wurde, verbreitete nur noch Informationen nach dem Willen der Militärs.
Die Gewalt verstärkte sich Mitte Januar 96. Schon am Morgen des 16.1.96, legten Tutsi-Extremisten, vor allem Anhänger des früheren Diktators Bagaza, erneut die Hauptstadt Bujumbura lahm. Ihr Ziel war der Sturz des Präsidenten Sylvestre Ntibantunganya, die Aufhebung der Immunität des Parlamentspräsidenten Léonce Ngendakumana und weiterer Parlamentarier, die Entmachtung einiger hoher Militärs, die nicht ihrer Richtung angehörten und der Gemäßigten in der Partei UPRONA.
Am 10.1.96 hatten SOJEDEM, eine Planungs-zentrale der Todesschwadronen "Sans Echec" und "Sans Défaite" zusammen mit einigen von Tutsi-Extremisten beherrschten Gewerk-schaften in einer "Botschaft an das burundische Volk" zum Generalstreik aufgerufen: "Angesichts eines unwürdigen, verräterischen und völker-mordenden Präsidenten, der gegen sein eigenes Volk Krieg führt,...ist die Stunde des Mutes und des Opfers gekommen....Die nationale Armee hat schließlich resigniert, nachdem sie sich dem Druck und der Einschüchterung durch eine Mafia von einheimischen Schmarotzern, Militärs wie Zivilisten, ausgesetzt sah, ständig bedroht von einer ausländischen Militärintervention...Der Krieg, den Ntibantunganya führt, zielt darauf, das burundische Volk buchstäblich in die Knie zu zwingen, um es dann ausländischer Herrschaft auszuliefern...". Ihren Streikaufruf beendeten sie mit der Drohung: "Jeder, der diese Aktion sabotiert, wird wie die Völkermörder behandelt."
Auftakt zur "ville morte" war am Montag, 15.1., ein Angriff der "Sans Echec" auf den Stadtteil Buyenzi, in den einige wenige Hutus zurückgekehrt waren. Diesmal reagierte ein Teil der Armee anders als bei den bisherigen ethnischen "Säuberungen" und "ville morte": Beim Angriff auf Buyenzi entwaffneten sie die Sans Echec zwar nicht, forderten sie aber immerhin erfolgreich auf, den Angriff abzubrechen. Als die Tutsi-Banden am 16.1. in den Straßen Barrikaden errichteten, um ihre Ausgangssperre durchzu-setzen, schossen Militärs in die Luft und zerstreuten sie. Der Verteidigungsmistister nahm eine feste Haltung gegen sie ein und bis abends (18.00 Uhr) waren 6 Haftbefehle ausgestellt.
Sogar der Chef der SOJEDEM Déo Niyonzima mußte sich verstecken. Es war das erste Mal, daß die Aktion "ville morte" nicht erfolgreich war. Aber man sollte sich nicht täuschen. Für die Tutsi Extremisten war das nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Die Taktik wurde einfach geändert.
In mehreren Provinzen gab es eine neue Welle von Verhaftungen. Sie traf vor allem Mitglieder der Mehrheitspartei FRODEBU, so weit sie Hutu waren, teilweise aber auch generell die männliche Hutu-Bevölkerung. Der Plan wurde aber seit langem vorbereitet.
Auf welcher Grundlage die Verhaftungen zustande kamen, beleuchtete ein vertraulicher Brief des Gouverneurs von Rutana vom 21.12.95 an den Kommandaten der Brigade von Rutana:
"Herr Kommandant, wie wir bei unserem letzten Treffen vereinbarten, habe ich die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß Sie Listen von allen Hutus, die Frodebu-Anhänger sind, in unserer Provinz Rutana zusammenstellen müssen, damit ihre Verhaftung spätens am 26.12.95 beginnen kann. In der Tat, Herr Kommandant, muß als Erster nicht später als am 27.12.95 der Chef des Sicherheitsdienstes von Rutana verhaftet werden, um zu vermeiden, daß unser Plan bekannt wird. Auf jeden Fall muß vor dieser Verhaftung ein Ablenkungsmanöver stattfinden, d.h. nach dem Einsammeln aller Listen mit Hutus muß man eine einzige Liste zusammenstellen, um nachzuweisen, daß sie von diesem Chef der Dokumentation Feuerwaffen erhalten haben.
Folgende Personen sind gebeten worden, diese Listen für Sie zusammenzustellen: -Gemeinde Rutana: Fyiroko, Damien, Direktor des Projekt ASP;-Gemeinde Musongati: Administrator;-Gemeinde Mpinga-Kayove: M. Alexis, Lehrer an der Grundschule Kayove;-Gemeinde Giharo: Administrator;-Gemeinde Bukemba: M. Isaac, Mitarbeiter des Sicherheitdienstes Sektor Gihofi;-Gemeinde Gitanga: Agricole Mbazumutima, Chef de Zone Kinzanza.
Ich zähle auf Ihren gewohnten Eifer und versichere Ihnen, Herr Kommandant, meine freimütige Zusammenarbeit. Der Gouverneur von Rutana Léonidas Hakizimana"
Tatsächlich folgten diesem Brief die Verhaftungen des Chefs des Sicherheitsdienstes Astère Nyandwi, des Administrators von Gitanga Didace Ntibaranvuna und anderer. Sie sollen gefoltert worden sein, um eine Zusammenarbeit mit Hutu-Milizen zuzugeben. Sogar der Parlaments-abgeordnete Cassien BUCUMI wurde festge-nommen, als er im Rahmen der Friedens-kampagne unterwegs war und eine Woche lang gefangengehalten, ohne daß seine parlamen-tarische Immunität aufgehoben gewesen wäre. So wurden viele Hutu fälschlich beschuldigt und verhaftet.