Die Hand des Gottes und die Ironie des Schicksals

 

..... am Morgen danach wurden « zufällig » viele Leichen 20 km

weit von Bujumbura gefunden,

wo es keinen Krieg gab.

Es waren leitende Hutuangestellte,

die einfach im Feldlager ermordet

und weit entfernt von der Stadt weggeworfen worden waren.

I believe in you my God

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Wie lange blieben wir im Feldlager? Drei Stunden, die ewig zu dauern schienen. Schließlich kam jemand, uns zu befreien. Und wer war das? Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Da war Herr Butasi, der Staatsanwalt in Person, den der Parlamentspräsident entsandt hatte. Jemand hatte ihn informiert, daß wir in Lebensgefahr waren. Nach ein paar Telefonanrufen wusste er genau, in welches Feldlager wir gebracht worden waren.

Für den Staatsanwalt war das wirklich eine Ironie des Schicksals. Er gehörte zu den Extremisten und war für seine Taten gegen die Hutubevölkerung schon bekannt. Er befreite uns, um einen Skandal zu vermeiden, aber er war zutiefst bekümmert.

Am Morgen danach wurden « zufällig » viele Leichen 20 km weit von Bujumbura gefunden, wo es keinen Krieg gab. Es waren leitende Hutuangestellte, die einfach im Feldlager ermordet und weit entfernt von der Stadt weggeworfen worden waren.

Bisher war bei der ethnischen Säuberung der Hauptstadt das Prominentenviertel Mutanga-Nord, in dem Hutu und Tutsi noch miteinander lebten, verschont worden. Jetzt war die Armee auch dort gezielt gegen Hutus vorgegangen und zwar fast nur gegen die Häuser von besonders Prominenten, von denen aber klar war, daß sie zu dieser Tageszeit selbst nicht zu Hause sein würden.

Neben anderen wurden die Häuser des Abgeordneten und Generalsekretärs der Frodebu, Augustin Nzojibwami, des Staatssekretärs für Sicherheit, Fabien Segatwa, der Witwe des ermordeten Abgeordneten Sylvestre Mpfayokurera, der Beamtin des Präsidialamtes, Antoinette Nzikobanyanka, geplündert und zerschossen bzw. angezündet, die Beute offen auf Militärlastwagen geladen.

Die Häuser anderer Abgeordneter wurden durchsucht, sogar die der Minister für Arbeit, Finanzen, Bildung, kommunaler Entwicklung, des Ex-Justizministers sowie höherer Beamter. Die Soldaten gingen nach Listen vor. Die Durchsuchungen und die damit verbundenen Zerstörungen gingen am 7.12.95 weiter.

Es blieb aber nicht bei Sachschäden. Im Haus des abwesenden Generalsekretärs der FRODEBU wurden zwei Menschen ermordet, die zufällig dort anwesend waren: der Berater des Gouverneurs von Rutana, Cassien Ndikumana und ein Diener. Drei weitere Männer wurden von Militärs mitgenommen und sind seither "verschwunden". Das selbe Schicksal ereilte in einem anderen Haus den Ingenieur Eile Ndikumana, den Arzt Dr. Nzikobanyanka, den Studenten Katihabwa Nestor und zwei Diener.

Als Vorwand für ihr Vorgehen diente der Armee zum wiederholten Male ein angeblicher Angriff der FDD (Hutu-Rebellen). Der Bürgermeister von Bujumbura, ein Tutsi Extremist und der Kommandant der Operation behaupteten am 7.12.95 an einer Sitzung über die Sicherheitslage, sie seien schon seit einer Woche über den bevorstehenden Angriff der FDD informiert gewesen; die Armee sei aber zu schwach gewesen, um ihn zu verhindern! Zur Verwirrung trug vor allem das Nationale Radio bei, das die falsche Nachricht von einem Großangriff der FDD auf die Hauptstadt verbreitete.

In Wirklichkeit hat es in Mutanga-Nord weder in der Vergangenheit noch jetzt eine Hutu Guerilla gegeben. Augenzeugen berichteten, die Militärs hätten den ganzen Tag über in Richtung auf die umliegenden Hügel geschossen, ohne daß von dort zurückgeschossen wurde. Auf dem in der Nähe liegenden Hügel Sororezo wurden so am 6. und 7.12 etwa 300 Menschen umgebracht. Der Eindruck von Kriegshandlungen sollte wohl auch durch über der Stadt kreisende Hubschrauber hervorgerufen werden.

Gleichzeitig aber führten Tutsi Studenten auf einer der Zufahrtsstraßen nach Mutanga-Nord Freudentänze auf und bewarfen vorbeikommende Hutus mit Steinen; erst nachdem sie auf diese Weise einen Passanten umgebracht hatten, fuhren sie mit Militärlastwagen weg.

Pünktlich zum Dienstschluß um 18h00 hörten die Schießereien auf, was bei echten Kämpfen auch unüblich ist.

All dies spricht gegen die offizielle Version von einem Angriff der Hutu-Guerilla. Als Beweis für eine geplante Aktion des Militärs gilt auch, daß die Diplomaten in Bujumbura an diesem Tage ihre Häuser nicht verlassen sollten. Auch konnten Parlamentarier den ganzen Tag des 6.12 über verantwortliche Militärs nicht erreichen.

Ein wesentliches Ziel der Aktion schien schon erreicht: Hutus wagten es nicht mehr, von der Arbeit in ihre Häuser in Mutanga-Nord zurückzukehren. Sie hatten sich gezwungener-maßen denjenigen ihrer Kollegen anzuschließen, die jeden Abend zum Übernachten nach Zaïre (Uvira) fuhren. Allerdings war der kürzeste Weg dorthin über Gatumba geschlossen worden. Zur weiteren Einschüchterung trug bei, daß mehreren prominente Hutus ihre persönlichen Wächter entzogen wurden. Die Tutsi-Bewohner von Mutanga-Nord dagegen gingen unbehelligt nach Hause.

Von da an hatte ich viel zu überlegen. Viele Bilder fuhren mir durch den Kopf. Ich besann mich darauf wie die Universität Bujumburas von Hutus gesäubert wurde.

Es war am Sonntag, dem 11.06.95. Direkt von einer Versammlung wurden die "Sans Echec", eine der Todesschwadronen, entsandt, um Studenten während einer Feier im Heiliggeist-gymnasium zu ermorden. An jenem Tag um 17.00 wurden 4 Studenten auf eine bestlische Weise umgebracht. In der folgenden Nacht wurden auf dem Universitätscampus Mutanga etwa 50 weitere Studenten ermordet. Die Tutsi-Milizen warfen Handgranaten in Schlafräume und erschossen Fliehende. Die Leichen wurden sofort auf Lastwagen abtransportiert. Einige davon fand man später im Fluß Rusizi. Andere wurden vermißt.

Bei dieser Aktion der Todesschwadronen sahen Gendarmen unbeteiligt zu oder halfen sogar. An jenem Tag vertrieben sie den Staatssekretär des Innenministeriums und dessen Bewacher, die beim Heiliggeistgymnasium eingreifen wollten. Opfer der Überfälle waren ausschließlich Hutus, ein Beweis dafür, daß es sich nicht um ethnische Konflikte an den Universitäten handelte, wie fälschlicherweise in die Welt gesetzt wurde, sondern um kaltblütig geplante Morde.

Mit unerbittlicher Konsequenz wurden die gebildeten Hutus, einer nach dem anderen, eliminiert. Damit verlor die Führung der demokratischen Hutus ihren Unterbau. Außerdem vernichtete die Ermordung und Vertreibung von Hutu-Schülern und -Studenten die Hoffnung auf die Zukunft. Immer mehr Jugendliche, wie auch demokratische Politiker, sehen im militärischen Kampf die einzige verbleibende Lösung: die Erfolgsaussichten für die Demokratie schrumpfen damit weiter.

Ich besann mich darauf , wie Mitte August die Soldaten über 100 Alte, Frauen und Kinder im Hutu-Ortsteil Kinama der Hauptstadt Bujumbura mit Bajonetten ermordeten. Sie wurden dabei unterstützt von dem Todesschwadronen "Sans Echec", die auf Militärjeeps durch die Straßen fuhren - ein weiterer Beweis für die enge Zusammenarbeit zwischen Militärs und Todesschwadronen.

Diese Operation gegen Menschen, die aus nackter Not aus den Bergen in ihre Stadtteile Kamenge und Kinama zurückgekehrt waren, nachdem sie im Juni und Juli mehrmals daraus vertrieben worden waren, reiht sich in die Serie ethnischer Säuberungen, nicht nur der Hauptstadt, sondern auch der umliegenden Orte.

In Kanyosha und den Dörfern Kibenga, Busoro und Nkenga südlich der Hauptstadt hatten Ende Juni Armee, Todesschwadronen und Bewohner des ehemals weitgehend von Hutu bewohnten Stadtviertels Musaga etwa 200 Menschen umgebracht, Häuser geplündert und Bananenhaine zerstört; in Buhonga gab es am 5.7.95 etwa 80 Tote, fast alles Frauen, Kinder und Alte, die sich nicht schnell genug hatten retten können.

Bei der ethnischen Säuberung der Hauptstadt und ihrer direkten Umgebung wurde immer die Existenz der FDD (Hutu-Rebellen) als Vorwand genommen; diese konnten aber praktisch nichts ausrichten - weder die Bevölkerung schützen noch die Armee ernsthaft herausfordern. In den Provinzen Cibitoke und Bubanza schien es jetzt ernsthaften militärischen Widerstand zu geben.

Die Armee schien im wesentlichen gegen die Bevölkerung in Cibitoke und Bubanza vorzugehen. Das Zentrum der Stadt Musigati wurde völlig zerstört. In Bukeye ermordeten Militärs zusammen mit Tutsi-Milizen Dutzende von Hutus, plünderten und steckten ihre Häuser in Brand. Weitere genaue Nachrichten aus den beiden Provinzen waren aber bisher nicht zu erhalten.

Der sich immer mehr beschleunigende Völkermord in Burundi konnte nur deshalb so ungehindert vonstatten gehen, weil die internationale Presse offensichtlich auch Falsch-meldungen der Tutsi-Extremisten ungeprüft übernahm.

Die Priester wurden nicht verschont. Zwei Xaverianer-Patres, Pater Ottorino und Pater Aldo, wurden am Samstag, dem 30.9.95, in Buyengero, Provinz Bururi, zusammen mit einer italienischen Laienhelferin durch Kopfschüsse ermordet. Die Umstände liessen auf eine geplante Hinrichtung schließen. Militärs hatten schon vor einiger Zeit vergeblich die Ausweisung Pater Ottorinos verlangt, weil er junge Hutu vor falschen Anschuldigungen in Schutz genommen hatte. In der Folge lasteten sie die Morde Hutu-Milizen an, die es in Bururi allerdings überhaupt nicht gab.

Andere Anschläge schlugen fehl, wie der auf drei Priester in Kanyosha oder der auf Bischof Nterere in Muyinga, welcher schon einmal im September 1994 einen Attentatsversuch überlebt hatte.

Die vermehrten Anschläge auf Priester schienen zwei Ziele zu verfolgen: gebildete Hutu zu eliminieren und gleichzeitig unliebsame Zeugen von Menschenrechts-verletzungen zum Schweigen zu bringen. Der Angriff auf Ausländer wies auf letzteres Motiv hin.

Ich besann mich auf den Massenmord in Kanyosha, nur 10 km von Bujumbura, wo etwa 450 Leute umgebracht wurden, darunter zahlreiche Frauen, Kinder und Alte. Es war der 14.11.95. Morgens kurz vor 8.00 Uhr trafen Militärs aus drei verschiedenen Richtungen ein. Eine Gruppe nach der anderen begann zu schießen; die Bevölkerung versuchte zu fliehen und wurde jeweils einer anderen Gruppe von Militärs in die Arme getrieben. Wer sich auf Anweisung von Soldaten im Gebäude einer Grundschule versammelte oder in eine Kapelle flüchtete, wurde mit Bajonetten niedergemacht.

Die Leute hatten sich im Sumpf versteckt, wo die Soldaten sie fanden und töteten. Danach zündeten sie die Häuser an, stahlen Kühe und beluden einen ganzen Lastwagen voll mit Ziegen und Hühnern. Man fragte sich, ob diese zum Verhör gebracht werden sollten. Denn sie sagten, sie tun es, um gegen die bewaffneten Gruppen zu kämpfen.

Nach Zeugenaussagen wurden bis zum 17.11. mindestens 300 Leichen gezählt, wobei noch viele unbeerdigt im Rubizi Tal lagen. Inzwischen liegt der offizielle Bericht des Administrators von Kanyosha an den Gouverneur von Bujumbura-Land mit detaillierten Angaben vor. Er spricht von mindestens 430 Opfern.

 

 

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