Pressebüro Savanne, hyäne 3/97, Seiten 24-26, Rubrik antira/antifa


Medienreaktionen auf den Antifaschistischen Abendspaziergang vom 19. April

Zur Berichterstattung der bürgerlichen Medien

Dass die bürgerlichen Medien nicht begeistert sein würden von einem antifaschistischen Spaziergang, war zu erwarten. Dass sie die Zerstörung eines Neonazi-Treffpunktes verurteilen, erstaunt auch nicht. Ein Querschnitt durch die Berichterstattung der verschiedenen Medien zeigt, auf welche Art und Weise ein politischer Anlass, der in den letzten Jahren seinesgleichen sucht, entpolitisiert und delegitimiert wird.

Edgar Schuler (ese.) schreibt in der NZZ vom Montag, 21. April zwar mit einschlägigem Vokabular (Krawallmacher), aber eher sachlich. Wie auch andere BerichterstatterInnen erwähnt er nur die 300 bis 400 Personen (oder doch wohl an die 600?), die sich am Bellevue besammelten, nicht aber, dass der Demozug sich im Verlauf der Demo auf etwa 1000 Personen vergrösserte. Bei ihm steht die ``Pumpi-Bar'' zumindest ``im Ruf, ein Treffpunkt von rechtsextremen Skinheads zu sein''. Explizit ist bei ihm die Entpolitisierung, wenn er im Lead von einem ``Bandenkrieg mit oberflächlichem politischem Anstrich'' spricht. Kein Wort im Lead von der ständigen gewalttätigen Bedrohung durch Skinheads. Den Bezug zum 5. April bringt er im Artikel nur als Zitat aus dem Demo-Aufruf ein.

Niels Walter schafft es im Tagblatt der Stadt Zürich immerhin, 500 Personen an der Demo zu zählen. Interessanterweise bläst er diese Zahl im Lead auf 750 auf, indem er die TeilnehmerInnen des ``Abendspaziergangs'' und der SP/VPOD-Veranstaltung am Nachmittag zusammenzählt. Erst beim Lesen der DAZ, wo die Quelle klar deklariert ist, wird klar, dass die geschätzte Zahl aus einer sda-Meldung stammt.

Als Niels Walter von der Demo schreibt, spricht er von flüchtenden Passanten, nicht aber von den Leuten, die sich spontan dem Demozug anschlossen. Für ihn sind die ``Pumpi-Bar'' und das Lokal ``zur alten Bränni'' ``als Skinhead-Treffpunkte bekannt''.

Der üblichen NZZ-Sprachregelung folgend redet er von ``Jugendlichen'', welche die Lokale zertrümmerten: Protest wird als pubertäre Regung verstanden; von Protest oder gar Widerstand, von politischen Inhalten wird kaum gesprochen. Als einer der wenigen Berichterstatter erwähnt er, dass nach 23 Uhr ``Rechtsextreme vor der Pumpi-Bar rassistische Parolen skandierten und Passanten anpöbelten''. Indem er im selben Abschnitt den Wirt zitiert, der ``dementiert, dass sein Lokal ein Treffpunkt der Rechtsextremen sei'', zeigt er die Absurdität dieses Dementi: Die Neonazis wissen schon, dass der Angriff ihrem Treffpunkt galt.

Karin Müller und Viktor Damman schreiben im Blick (fast schon traditionell) von ``über 600 bewaffneten Chaoten''. Expliziter als andere solidarisieren sie sich mit dem Barbesitzer Angelo Pfister und behaupten glattweg, ``die Chaoten hätten offenbar ein Phantom gejagt.'' Die ``Pumpi'' sei gar kein Treff der ``Rechtsextremen''. Ihre Quelle dazu: Der Barbesitzer und Vertreter der Polizei (beide kaum neutral in dieser Sache).

Marcel Gyr und Urs Ellenberger zählen in der SonntagsZeitung ``400 zumeist Jugendliche''. Für sie ``gilt die Pumpi-Bar als Treffpunkt von Rechtsextremen'', im Lead des Hauptartikels ist sie gar ``als Skinhead-Treff bekannt''.

Dass der ``Abendspaziergang'' politische Gründe hat, steht für sie fest: ``Autonome besammeln sich, um gegen die die zunehmende Präsenz von Neonazis im Niederdorf zu demonstrieren.'' Auch sie sprechen von ``Jugendlichen'', welche die Bars zertrümmern. (Schön, sich mit 20, 30 oder 40 als Jugendlicher bezeichnet zu sehen.) Sie sprechen von einer ``Horde'', die über die Limmat zur Bahnhofstrasse zieht. Bei ihnen besammeln sich nach 23 Uhr 30 ``Hooligans vor der zertrümmerten Pumpi-Bar und verfolgten laut pöbelnd die laufenden Aufräumarbeiten''. Claude Winet folgt in einem separaten Artikel den Abend lang einem ``Gruppenführer der Zürcher Stadtpolizei'' und zitiert unkommentiert die faulen Sprüche der Beamten: ``Skinhead-Sympathisanten gibt es in unseren Reihen nicht''. Würden sie's zugeben?

Der Tages-Anzeiger tut sich wieder einmal, wie etwa bei der medialen Vorbereitung der Zwangsmassnahmen, im Tandem mit dem Blick als der grösste Hetzer hervor. Schon auf der Titelseite wird Heinz Buttauer, Präsident des Polizeibeamtenverbandes der Stadtpolizei, mit seiner Forderung zum Durchgreifen gegen unbewilligte Demonstrationen zitiert. In einem Kasten auf der Hintergrundseite, die ganz dem Abendspaziergang gewidmet war (wohl in der Erwartung, dass Blut fliessen würde, vorzeitig reserviert), kommt wieder Heinz Buttauer zu Wort und findet den antifaschistischen Spaziergang ``den schlimmeren Anlass'' als den faschistischen Angriff zwei Wochen zuvor. Womit klar wäre, auf welcher Seite sich Herr Buttauer und der Tagi, der ihm zu Öffentlichkeit verhilft, positioniert.

Im Hauptartikel spricht Martin Huber von der Pumpi-Bar als ``angeblichem Treffpunkt von Rechtsextremisten'', trumpft also mit derselben Desinformation auf wie die Blick-Berichterstatter. Immerhin zählt er ``600 Punks und Autonome'' am ``Abendspaziergang'', und er schafft den Zusammenhang zwischen den eingeschlagenen Schaufenstern von Banken an der Bahnhofstrasse und dem von diesen gehorteten Raubgold. Auch Martin Huber erzählt von ``aufgebrachten Jugendlichen'', die sich nach elf Uhr vor der Pumpi-Bar versammelten und gegen ``Scheissrote Zecken'' ausriefen. Ein scharfmacherischer Tonfall durchzieht den Artikel, und er gipfelt in einem Zitat von Robert Neukomm, die Demonstrierenden seien ``schlicht Gewalttätern nachgelaufen''.

Die Kommentarspalte von Daniel Suter (oft einer der faireren Berichterstatter) zeugt zuerst von einem Respekt für die OrganisatorInnen des ``antifaschistischen Abendspaziergangs'', denen es gelungen sei, ihr Anliegen einer breiteren Öffentlichkeit plausibel zu machen. Daniel Suter spricht von einer gut organisierten Demo, ``auch dort, wo sie kurz in Gewalt umschlug''.

Hier kippt aber seine Sympathie, und er lässt sich auf Vergleiche hinaus, die auf eine Diffamierung antifaschistischer Arbeit hinauslaufen: Der ``kleine Stosstrupp'', der die Pumpi-Bar zerschlug, hätten sich wie ``Nazischweine'' benommen. Was, bitte, war faschistisch an diesem Auftritt? Wogegen richtete er sich? Als ``zwei simple Bars, in denen jeder von uns nach Feierabend sein Bier trinken darf'' bezeichnet er die zerstörten Lokale und spricht von ``den Selbstgerechten auf der Linken'' und einer ``plumpen Zerstörungsaktion''.

Wie viele andere Berichterstatter offenbar fixiert auf eine Konfrontation zwischen ``Glatzen und Kapuzen'', sieht Daniel Suter regelmässige Prügeleien auf uns zukommen. Sein Hinweis, dass politische Inhalte verlorenzugehen drohen, sollte der Widerstand gegen Rassismus sich auf der Ebene der Gewalt fortsetzen, ist durchaus zu Herzen zu nehmen. Vielleicht schaut er weiterhin hin, wenn die weniger spektakuläre antirassistische Arbeit gemacht wird und politische Inhalte vergeblich darauf warten, von Medien wahrgenommen zu werden.

Der Tages-Anzeiger doppelt fünf Tage später in seiner Wochenendausgabe mit erneuter Hetze nach. Martin Huber (wieder er) schiebt vorsorglich die Schuld an eventuellen Ausschreitungen am 1. Mai auf ``die Autonomen'' und erklärt, was ein richtiger Arbeitnehmer denkt, und wovon er (sie?) sich angesprochen fühlt. Nett von ihm, dass er an die Arbeitslosen denkt. Nur schade, dass er alles besser weiss. Artikel wie dieser bereiten den Weg für rücksichtslose Repression.

In einem Kasten auf derselben Seite wird die peinliche Distanzierung der SP Kreis 11 von der diesjährigen 1. Mai Feier ausführlich zitiert.

Ein weiterer Beitrag auf dem Weg zum skandalösen Redeverbot für Isaac Velazco.

... in der DAZ ...

In der DAZ nimmt der eigene Artikel (von Koni Loepfe) über die Nachmittagskundgebung von SP, VPOD, 1. Mai Komitee und Gewerkschaftsbund mehr Platz ein als derjenige über den ``Abendspaziergang'' (von Annegret Mathari). Dafür druckt die DAZ den Text der sda-Meldung ab, der dem ``Abendspaziergang'' viel Platz einräumt. Als einziger Berichterstatter bringt Koni Loepfe Auszüge aus der hörenswerten Rede von Emilio Modena, nimmt also antifaschistische Inhalte der Nachmittagskundgebung ernst. Annegret Mathari übernimmt die sda-Schätzung von 500 TeilnehmerInnen für den ``Abendspaziergang''. Sie betont (etwas krampfhaft?), wie die Mehrheit der Demonstrierenden unvermummt und nicht gewalttätig auftrat, und zeigt damit Sympathie mit dem ``Spaziergang''. Sie zeigt dabei nicht direkt Verständnis für die Zerstörung der Bar an, verzichtet aber auch darauf, sich von der Aktion explizit zu distanzieren.

Die sda-Meldung (bzw. die in der DAZ publizierten Auszüge) zeichnet sich durch eine sachliche Beschreibung aus. Sie erwähnt, dass die Pumpi-Bar ``als Skinhead-Treffpunkt bekannt'' war. Der Zürcher Polizeivorstand Robert Neukomm zeigt sich darin ``entsetzt über die Gewaltbereitschaft'' der Autonomen und findet, diese hätten ``ihre Unschuld längst verloren''.

So entsetzt hat er sich nie gezeigt, als seine Mannen MigrantInnen auf den Strassen des Kreises 4 und 5 zusammenschlugen und auszogen. So entsetzt hat er sich nicht gezeigt, als erwähnte Beamten am 23. September 1995 in Zusammenarbeit mit den Neonazis die autonome Anti-Blocher-Demo angriffen, oder als sie, zum Teil mit den Neonazis plaudernd, den Abend des 5. April wartend verbrachten, bis sie nach verschiedenen Körperverletzungen irgendwann ihren faschistischen Freunden kurz sagten, sie sollen doch nachhause gehen, es sei nun genug (und diese taten's).

... und in der WoZ

Matthias Baer fängt recht solidarisch an, indem er AktivistInnen zu Wort kommen lässt: ``Skinheads und Wirt haben diese Quittung verdient.''

Dann schwankt er drei Abschnitte lang zwischen einer Gleichsetzung des antifaschistischen Angriffs gegen den Nazitreffpunkt und möglichen Angriffen der Skins gegen alternative Treffpunkte einerseits, einem Verständnis für den Angriff als antifaschistische Selbsthilfeaktion andererseits. Dies mündet in der Frage, ob aus einer politischen Analyse heraus, die ein Versagen des Staates feststellt, zur Selbstjustiz gegriffen werden darf.

Einer der Fehler seiner Analyse scheint mir gerade der zu sein, dass es hier nicht um ein Versagen des Staates geht. Die Rolle des Staates war nie die, MigrantInnen, Homosexuelle oder Linke gegen Angriffe von Neonazis zu schützen. Diese Gruppen greift der Staat immer wieder selber an, und ein bisschen Hilfe von ganz rechts ist zwar zuweilen etwas peinlich, aber objektiv im Ganzen recht nützlich. Die Stigmatisierung von MigrantInnen und Homosexuellen basiert auf wirtschaftlichen Bedürfnissen der kapitalistischen Ordnung, aber auch auf einer identitätsstiftenden Ausgrenzung. Die radikale Linke versteht sich als Bewegung, die gegen verschiedene Formen der Unterdrückung und Ausbeutung, die der Staat sicherstellt, Widerstand leistet und die Gesellschaft verändern will. Für den Staat ist es daher klar, dass er sie bekämpfen wird.

Den Vergleich mit der rechtsbürgerlichen Bürgerwehr einer ABA (Aktion Betroffener Anrainer) nach der Lettenschliessung kann nur herbeiziehen, wer bei Konflikten von ebenbürtigen Parteien ausgeht und Machtverhältnisse negiert. Eine antifaschistische Selbsthilfeaktion wie die Zerstörung der Pumpi-Bar hat zum Ziel, gewalttätige Bedrohung zu stoppen. Die ABA setzte sich in Szene, um Unterdrückte und Ausgegrenzte noch verstärkt zu unterdrücken und auszugrenzen. Ihr ist die kontinuierliche Unterstützung des Staates sicher, der viele ihrer Forderungen (mehr Gefängnisse, unmenschliche Ausschaffungspraxis, Repression auf der Strasse, Razzien) bereitwillig übernimmt. Mit der Drohung, eine Bürgerwehr zu bilden, macht sie Druck, wenn der Staat nicht schnell genug spurt. Grundsätzlich jedoch ist sie auf der Seite der Macht.

Die realpolitischen Spielräume, die Matthias Baer durch eine differenziertere Analyse des Staates zu finden gedenkt, liegen nicht darin, Robert Neukomm zu einer internen Untersuchung seines Korps auf rechtsextreme Sympathien hin zu bewegen, während Neonazis im Niederdorf und anderswo weiterhin Leute spitalreif schlagen. Wozu kann eine solche Untersuchung führen? Wenn sie ernsthaft geführt wird und am Ende nicht einfach schubladisiert wird, kann es zur Versetzung einer Handvoll Beamter kommen. Ein strukturelles Problem kann aber nicht auf der Ebene einiger Individuen gelöst werden. Solange es eine Polizei gibt, die für Ruhe und Ordnung zu sorgen hat, wird sie diese Ruhe und Ordnung gegen Linke und mit Neonazis durchzusetzen versuchen. Gerade der 5. April hat gezeigt, dass auf allen Ebenen des Polizeiapparats verhindert wurde, dass ein Einsatz stattfand. Zwölf uniformierte Beamte und mehrere Zivilpolizisten standen untätig herum. Anrufe von AnwohnerInnen blieben in den Telefonzentralen unbeachtet. Leute, die gegen die Neonazis Anzeige wegen Körperverletzung erstatten wollten, wurden mit Sprüchen wie: ``selber schuld'' abgewimmelt.

Dass Medien und (welche? wo war sie all diese Jahre?) linke Öffentlichkeit künftig genauer beobachten werden, wie sich die Polizei gegenüber Skinheads verhält, muss wohl ein schöner Traum bleiben. Auch bei den Medien ist es nicht Unwissen, welches sie die ganzen Jahre hindurch aktiv an der rassistischen Hetze mitwirken liess, die zur Annahme der Zwangsmassnahmen im AusländerInnenunrecht führte, die es fertigbrachte, dass es nun als normal gilt, wenn MigrantInnen routinemässig von der Strasse weg verhaftet werden -- die auch dazu führte, dass Neonazis sich sicher fühlen, eine breite Unterstützung in der Bevölkerung hinter sich wissen. Medien sind Unternehmen, die verkaufen müssen, nicht informieren. Sie stehen in einem Netz wirtschaftlicher Verflechtungen. Etwas vereinfacht: Wenn Rassismus für den Standort Schweiz wirtschaftlich wichtig ist, werden Medien rassistisch hetzen. Da nützt es wenig, an journalistische Ethik zu appellieren. Diese liegt im Bereich der individuellen Journalistin. Und wieder: Strukturelle Probleme können nicht auf individueller Ebene gelöst werden.

Sosehr diese Form antifaschistischer Intervention Symptombekämpfung ist: Die Zerstörung faschistischer Treffpunkte entspringt einer unmittelbaren Notlage und soll und kann weitere faschistische Angriffe verhindern. Eine gute Frage ist dann, wie über die Symptombekämpfung hinaus die Wurzeln faschistischer Ideologien angegriffen werden können. Dies versuchen antirassistische und antifaschistische AktivistInnen in einer kontinuierlichen Kleinarbeit, die von den Medien systematisch verschwiegen wird. Die Existenz solcher Arbeit wird nur dann (anekdotisch und entpolitisiert) wahrgenommen, wenn solche AktivistInnen als vermummter Schwarzer Block ``Krawall'' machen.

Dass der antifaschistische Abendspaziergang vom 19. April samt Angriff auf die Pumpi-Bar durchaus politisch vermittelbar war, stört bürgerliches Selbstverständnis. Dass Leute sich zusammenschliessen, um gemeinsam einer ständigen Bedrohung ein Ende zu setzen, überrascht wohl in einer Gesellschaft, wo die Radfahrermentalität (nach oben buckeln, nach unten treten) weit verbreitet ist und die Erwartung, der Staat werde es am Ende schon richten und die Einschätzung, rassistisches oder faschismusfreundliches Auftreten der Polizei seien jedesmal Einzelfälle, bis weit in linke Kreise reicht.

Teile von Matthias Baers Diskussion über die Sprache der AntifaschistInnen finde ich gut. Geschichtlich Bewusste können kaum die Parole ``Wir wollen keine Nazischweine'' hören, ohne dass der entsetzliche Nazispruch ``Wir wollen keine Judenschweine'' anklingt. Auch wenn der Ausdruck ``Du Schwein!'' umgangssprachlich sehr verbreitet ist und in dieser Form kaum jemand auf die Idee käme, der Ausruf wäre faschistischen Ursprungs, ist die erwähnte Parole durch ihre direkte Anlehnung an faschistische Sprache untragbar in einem politischen Diskurs.

Ebenso verhält es sich mit den ``braunen Ratten'', aber auch mit der ``Nazipest''. Biologistische und medizinische Ausdrücke durchziehen den Nazisprachgebrauch und operieren mit entmenschlichenden Bildern.

Wäre es nicht besser, sich zu überlegen, wie eben Menschen dazu kommen, sich der nationalsozialistischen Ideologie anzuschliessen, anstatt Neonazis mit Tieren gleichzusetzen?

Weniger nachvollziehbar scheint mir die Kritik des Ausdrucks ``reaktionäre Hetze''. Dass gehetzt wird: antisemitisch, rassistisch, sexistisch, gegen links; das scheint mir eine simple Alltagserfahrung zu sein. Wenn ich ``Hetze'' höre, klingt kein faschistischer Spruch an.

Selbstkritik verlangt Matthias Baer von antifaschistischen AktivistInnen, und zwar schnell, um eine Eskalation am 1. Mai zu verhindern. Was aber genau soll kritisiert werden. Dass sie der Bedrohung nicht tatenlos zusehen und auf den nächsten faschistischen Angriff warten, um dann Leute auf der Intensivstation zu besuchen? Wenn der 1. Mai eskaliert, dann liegt es daran, dass der Staat nicht akzeptieren kann, dass linksradikale AktivistInnen sich nicht mit dem staatlichen Rassismus, mit der staatlich abgesegneten Ausbeutung abfinden und dagegen Widerstand leisten. Die Medien haben Robert Neukomm geholfen, die Eskalation vorzubereiten mit seinem Gerede davon, die Nachdemo nicht ziehen zu lassen. Der rücksichtslose Angriff der Polizei auf das Festgelände vor einem Jahr war ähnlich medial vorbereitet worden. Dieses Jahr kommt die unsägliche Provokation dazu, Isaac Velazco die Redeerlaubnis abzusprechen. Nachdem vor einigen Tagen vierzehn Guerilleros der Tupac Amaru staatlich ermordet wurden und dabei noch die moralische Kraft behielten, im Wissen um ihre eigene kaltblütige Ermordung keine einzige Geisel hinzurichten, spricht Isaac Velazco davon, dass es ihm und der MRTA nicht um Rache geht. Dass es darum geht, die GenossInnen aus der Isolationshaft und der Folter zu befreien und weiteres Unrecht durch den peruanischen Staat abzuwehren. Hut ab vor dieser moralischen Stärke! Auf Wiedersehen am 1. Mai!

(Tsia Nkali)


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Letzte Änderung 1999-11-21