Zweite Verabredung mit dem Tod
« Jammern, Weinen, Bitten sind nur für Feiglinge.
Machen Sie Ihre langwierige Arbeit mit Vergnügen,
Danach leiden und sterben ganz ruhig. » Alfred de Vigny
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Der Weg zu meiner Arbeit war so gefährlich geworden, daß ich eigentlich zurücktreten wollte, obwohl ich noch nicht genau wusste, wie ich überleben konnte. Ich hatte eine Familie zu ernähren, vier Kinder zu erziehen.
In meinem Leben hatte ich Höhen und Tiefen, aber ich hatte auch immer Glück. Etwas später wurde ich zum Kabinettsvorsteher des burundischen Parlaments-präsidenten ernannt. Ich wurde also ein angesehener Bürger. In Burundi mußten alle bekannten Hutus immer Probleme haben. Auf diese Weise wäre ich um ein Haar umgebracht worden. Das war am 6.Dezember 1995. Die burundische Armee befand sich im Krieg gegen die Huturebellen in Bujumbura, der Hauptstadt. Weil die Kämpfe gegenüber meiner Wohnung stattfanden, konnte ich nicht nach Hause fahren. Ich beschloß, nach Gatumba, einem kleinen Dorf, nicht weit von Bujumbura, zu fahren.
Das war ein folgenschwerer Fehler. Weil die ganze Hauptstadt von Militärs eingekreist war, konnte niemand hinausfahren. Ich war mit Sirahenda, einem Volksvertreter im burundischen Parlament, und meinen zwei Kindern (Sheb, 16 und Shan, 14 Jahre alt). Am Ausgang der Stadt fing uns Kommandant Mushwabure mit seinen Polizisten ab. Er war ein Offizier der Extremisten der burundischen Armee, der uns sehr gut kannte. Sie zwangen uns auszusteigen, auf dem Bauch zu kriechen und stampften und schlugen uns mit den Gewehrkolben auf den Rücken. Um die Hutus totzuschlagen, war die burundische Armee eine gut funktionierende Maschine.
In Burundi fing die Politikverbrechensgeschichte in grauer Vorzeit an. In alter Zeit konnte der König seine Untertanen töten, weil angenommen wurde, daß er von Gott die Macht dazu hatte. Also wurden viele Hutu-Zivilisten vom König und seinen blutrünstigen Hofschranzen umgebracht. Es gab auch viele Gelegenheiten dazu: Investitur des Königs, Launen des Königs, verschiedene Feste usw.
Mit der Unabhängigkeit hat nur das Verbrechen ein neues Gesicht bekommen. Da wird die Demokratie zur Identifizierung und Vernichtung der Opposition missbraucht. Die ethnische Minderheit in Burundi gehört zur Armee, die Herr über Himmel und Erde ist. Die Volksforderungen wurden immer im Blut ertränkt. Der Machtwechsel ist immer durch einen Putsch ausgelöst worden.
In der politischen Geschichte Burundis sind die Jahre 1965 und 1993 am ausgeprägtesten. In beiden Fällen ist die demokratische Mehrheit zur Macht gekommen. Die UPRONA mit 80% der Stimmen und die FRODEBU mit 64,7% der Stimmen.
Die beiden Jahre bleiben beispiellos in der Geschichte von Burundi, weil die Armee den Volksentscheid nicht akzeptierte und hunderte von Hutu-Zivilisten umgebracht hat, um die Macht zu behalten.
Am 1.Juni 1993 fanden die ersten demokratischen Wahlen statt. Melchior Ndadaye wurde als erster Hutu-Präsident gewählt. In den Augen der Tutsi-Extremisten war das eine Demütigung, die mit Blut gebüsst werden sollte. Schon im Juli 1993 haben ein paar Offiziere versucht, einen Putsch zu machen, obwohl Ndadaye den Eid noch nicht abgelegt hatte.
Dieselben Offiziere haben am 21.November 1993 den Präsidenten Ndadaye und viele Würdenträger ermordet. Danach zerstörten sie die Sozialgrundlage und viele Leute wurden umgebracht (ca 150.000). Der Plan der Putschisten war, die Lage zu destabilisieren, um später die Macht zu übernehmen und als Retter aufzutreten.
« Das ist die Stunde unseres Todes » dachte ich in stoischer Ruhe. Dabei besann ich mich auf das Gedicht « der Tod des Wolfes » von Alfred de Vigny:
« Jammern, weinen, bitten ist nur für Feiglinge.
Machen Sie Ihre langwierige Arbeit mit Vergnügen,
Danach leiden und stirben ganz ruhig. »
Von diesem Zeitpunkt an dachte ich viel nach. Was habe ich getan, um so ein Schicksal zu verdienen? Ich war kein Verbrecher. Die Antwort war gleichwohl ganz einfach: für den Kommandanten Mushwabure und in den Augen der anderen Extremisten war jeder Hutu ein Verbrecher und musste umgebracht werden. Weil ich keine Kraft und keine Macht hatte, musste ich mich in mein Los ergeben.
Der Wagen, mit dem wir wegfuhren, fuhr irgendwohin und die Polizisten zwangen uns, in einen Lieferwagen einzusteigen. Ohne Zeit zu verlieren, brachten sie uns in ein Feldlager. Wir hatten Langeweile und um die Zeit totzuschlagen, betete jeder von uns auf seine Weise. Ich betete viel. Sehr viel.
Um die Zeit totzuschlagen, erzählte ich viele Geschichten aus meinen Leben.
Ich erzählte auch die Geschichte meiner ersten Schwimmlektion.
Das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, liegt am Tanganjikasee, einer der grossen Seen ganz in Zentralafrika. Damals gab es kein Wasserverteilungs-netz, und man musste das Tanganjikawasser benutzen für den täglichen Bedarf: zum Kochen, Waschen, Duschen usw. Weil das Tanganjikawasser salzig ist, tranken wir lieber das Flußwasser.
Normalerweise mussten die Jungen und die Mädchen das Wasser schöpfen. Das war unsere Aufgabe, als wir jung waren. Die Eltern hatten viele andere Aufgaben, und wir mussten ihnen dabei helfen.
Die Wäsche wuschen wir meistens im See. Das war sehr praktisch. Die gewaschene Kleidung wurde einfach auf dem Strand zum Trocknen ausgelegt. Nach dem wir gewaschen hatten, konnten wir schwimmen.
Als ich 2 oder 3 war, ging ich mit meiner Mutter zum Tanganjikasee, um Kleidungsstücke zu waschen. Ich konnte ihr natürlich nicht helfen, weil ich noch zu klein war. Meine Mutter musste mich mitnehmen, weil sie mich nirgends lassen konnte. Es gab keinen Kindergarten. Ich hatte keinen älteren Bruder, mit dem ich hätte zu Hause bleiben und spielen können. Er starb, als ich noch ein Baby war. Also musste mich meine Mutter überallhin mitnehmen.
Es war ein schöner, sonniger Morgen zu Beginn des Sommers. Meine arme Mutter wusch die Kleidungsstücke und passte dabei auf mich auf. Nicht weit von uns waren viele Leute am Waschen. Kinder waren gerade beim Baden. Ich badete gern im See, obwohl ich noch nicht schwimmen konnte. Ich wusste noch nicht, daß das gefährlich ist. Ich wußte nur, daß die Gefahr von Krokodilen und Nilpferden kommt, aber nicht, daß man ertrinken kann. Nirgends waren Krokodile oder Nilpferde zu sehen. Ich hörte die im Wasser schreienden Kinder und wollte ihnen ins Wasser folgen. Meine Mutter war sehr beschäftigt und dabei warf sie immer wieder einen aufmerksamen Blick auf mich. Der Tod meines Bruders hatte sie stark getroffen.
Schließlich ergab sich die erwartete Gelegenheit. Als meine Mutter wegging, um ein paar Kleider zum Trocknen zu legen, schlich ich mich ins Wasser. Aber meine Mutter sah mich doch und kam ins Wasser gelaufen, um mich zu retten.
Das war meine erste Schwimmlektion.
Ich erzählte auch die Geschichte meiner ersten Statistiklektion.
Als ich jung war, fragte mich meine Großmutter immer, was ich von Beruf werden wollte. Ich hatte immer davon geträumt, Arzt zu werden. Aber Großmutter war ganz anderer Meinung. Sie wurde selten krank und pflegte uns immer mit Kräutern, wenn wir krank wurden. Wenn ich ihr Angst machen wollte, sagte ich ihr, daß ich Chirurgie studieren möchte. Das war für sie unvorstellbar. Wenn sie sich ihren Enkelsohn vorstellte, wie er mit einem Skalpell in der Hand jemanden operierte kam das ihr schrecklich und barbarisch vor.
Aber ich wollte wirklich Arzt werden, und beinahe hätte ich Medizin studiert. Am Ende des Gymnasiums, weil ich sehr gut in Naturwissenschaft war, meldete ich mich in der medizinischen Fakultät an. In der Zwischenzeit machte ich außerdem eine Auswahlprüfung um in einer Statistikhochschule zu studieren. Zum Glück bestand ich die Prüfung. Zwischen der Universität und dem Statistikinstitut wählte ich das Institut. Aus welchen Gründen? Ganz einfach:
Erstens gab es in der Universität so etwas wie eine Taufe, bei der die « Neulinge » schlecht behandelt wurden. Das wollte ich unbedingt vermeiden. Am Institut dagegen gab es keine Taufe. Zweitens war die Ausbildungzeit am Institut kürzer als an der Universität. Statt sechs Jahre brauchte man nur vier Jahre zu studieren, um ein Abschlussdiplom als Ingenieur für Statistik zu bekommen. Drittens war das Stipendium für das Institut zweimal höher als für die Universität. Das war wirklich ein Vorteil. Viertens konnte man im Institut Studenten aus verschiedenen afrikanischen Ländern treffen. Das war für mich wirklich eine gute Gelegenheit, um Menschen aus anderen Kulturen kennenzulernen. Fünftens war normalerweise vorgesehen, nach Ende der Ausbildung unbedingt ein sechsmonatiges Praktikum in einem anderen afrikanischen Land zu machen. Das war verlockend. Sechstens mussten die Studenten auch während des Studiums Autofahren lernen. Wie in verschiedenen Hochschulen, bekamen die Studenten kein Abschlussdiplom, so lange sie keinen Führerschein hatten. Das war eine goldene Gelegenheit, um kostenlos Autofahren zu lernen. Siebtens war das Abschlussdiplom « Ingenieur für Statistik » in Frankreich anerkannt, weil die Auswahlprüfung und das Kursprogramm dort vorbereitet wurden. Das bedeutete, daß das Diplom überall auf der Welt anerkannt wurde. Außerdem waren die Statistiker überall in Afrika bei großen Unternehmen gefragt.
Diese Liste könnte verlängert werden. Aber das war nicht mein Ziel. Ich wollte nur erzählen, wie ich in meiner ersten Statistiklektion schockiert worden bin. Hier sind die ersten Sätze, die ich in meinem Statistikbuch zu lesen bekam:
- Die Statistik ist eine gepflegte Form von Lüge.
- Der Statistiker ist der Mann, der vorgibt, daß eine angenehme Mitteltemperatur herrscht, wenn man sich die Füsse fast verbrennt und gleichzeitig der Kopf fast erfriert.
- Die Statistik ist wie der Bikini. Der zeigt sehr interessante Dinge, aber versteckt das Wesentliche.
- Wenn ein Mensch stirbt, ist das ein Unfall. Wenn zehn Menschen sterben, ist das ein Mißgeschick. Wenn einhundert Menschen sterben, ist das eine Katastrophe. Wenn eintausend Menschen sterben, ist das eine Statistik!
Zuerst war ich sehr schockiert. Ich fragte mich, ob ich nicht doch lieber an die Universität gehen sollte. Aber unser Statistiklehrer war so lustig, daß ich beschloss, zu bleiben.
Dann erzählte er uns eine traurige und komische Geschichte einer Verlobungsauflösung zwischen einer europäischen Frau und einem afrikanischen Mann. Die Frau hatte irgendwo in einem Almanach gelesen, daß die Lebenserwartung in Afrika 40 Jahre betrage. Der Mann war schon 38 und die Frau 35. Sie beschloss die Verlobung aufzulösen, weil sie Angst hatte, in zwei Jahren Witwe zu werden. Das war trotzdem komisch.
Ich erzählte auch die Geschichte meines einzigen Streiches im Gymnasium.
Als ich in der Primarschule war, war ich sehr ruhig. Ich konnte den ganzen Tag verbringen ohne zu sprechen. «Der Philosoph », das war mein Spitzname. Ich war nicht dumm. Aber ich hatte immer das komische, dunkle Gefühl, daß ich in meinem Leben nie glücklich werden könnte. Mein liebster Meditationsplatz war der Tanganjikasee. Im Mondschein konnte ich stundenlang am Tanganjikastrand sitzen und etwas beobachten, das ich nicht genau benennen konnte. Ich habe auch immer gedacht, daß ich nicht weit vom Tanganjikasee leben könnte. Meine Eltern waren nicht um mich besorgt. Sie wussten, daß ich mich bald verändern würde. Sie wussten wahrscheinlich auch, daß ich ein schweres Leben haben würde. Deshalb hatten sie mich « TABU » genannt. In unserer Sprache bedeutet das « Pein, Qual , Schwierigkeit».
Als ich ins Gymnasium ging, veränderte ich mich nicht viel. Ich war intelligent und schnell in der Schule. Manchmal spielte ich Fußball, aber das war nicht mein liebster Zeitvertreib. Unsere Schule, das « Heiliggeistgymnasium » lag auf einem hohen Berg in Bujumbura, von dem aus man die Stadt und den Tanganjikasee überschaute. Wir wohnten im Internat, und mein Zimmer hatte genau einen Blick auf den See. Ich war der glücklichste Mensch auf Erden.
In der Schule war die Disziplin unerläßlich. Die Priester, die das Gymnasium leiteten, liebten mich sehr, weil ich sehr diszipliniert und ordentlich war. Ich mochte keinen Krawall und hatte während gut zwei Jahren keinen Unsinn gemacht.
Nach dem Essen musste eine Gruppe von sechs Schülern das Refektorium aufräumen. Das Geschirr musste auf einen Handkarren geladen und in die Küche gebracht werden.
Eines Abends benützte ich die Gelegenheit, als die Leute unaufmerksam waren, und schob einen Handkarren in ein Wäldchen, das sehr weit von der Küche lag. Niemand sah mich. Am Morgen danach ging der Priester in jede Schulklasse und fragte uns, ob wir den Schuldigen kannten. In meinem Innern fühlte ich mich hundselend, aber ich wagte nicht, mich zu melden. Aber ich hatte auch das Gefühl, daß jemand an meiner Stelle bestraft werden konnte. Das machte mich noch unglücklicher.
Während der Zehn-Uhr-Pause ging ich schließlich zum Priester und gestand meinen Unsinn. Er sah mir gerade ins Gesicht und murmelte lächelnd: « Ich kann dir nicht glauben. Du lügst gerade ». Als Tränen aus meinen Augen strömten, trocknete der Priester sie mir mit seinem Taschentuch und sagte: « Geh und mach das niemals mehr ». Ich hatte das klare Gefühl, daß er mir nicht geglaubt hatte.
Ich merkte, daß die Kinder mir nicht mehr folgten. Vielleicht war die Geschichte langweilig. Ich konnte nicht wissen, was in ihrem Kopf passierte.
Viele Erinnerungen laufen in meinem Kopf. Ich erinnere mich auch, wie ich mit 15 Jahren nach Rwanda flüchtete, und wie ich 22 Jahre später zurückkehrte.
Es war 1972 nach dem Tod meines Vaters, als sich ein grosses Blutbad in Burundi ereignete. Zuerst war ich sehr traurig, so weit weg von meiner Mutter und meinen Geschwistern leben zu müssen. Aber ich gewöhnte mich schnell daran. Zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, daß ich so lange in Ausland leben würde.
« Morgen werde ich in mein Land zurückgehen » dachte ich jeden Tag. « Nächsten Monat werde ich sicherlich zurücksein» dachte ich jeden Monat. « Nächstes Jahr werde ich vielleicht zurücksein» dachte ich jedes Jahr. Jedes Mal derselbe Gedanke: « Bald werde ich meine Familie wiedersehen».
Das war mein einziger Wunsch. Meine einzige Hoffnung.
Endlich - einmal ist keinmal - verstand ich, daß ich mich geirrt hatte: meine Exil dauerte 22 Jahre. Dann hatte ich nur ein Ziel: leben mit meinem ganzen Herzen. In der Schule, bei der Arbeit hatte ich dieselben Devisen:
Verschiebe nicht auf morgen was du heute kannst besorgen.
Erst die Arbeit, dann das Spiel.
Wer rastet, der rostet.
Lieber spät als nie.
Frisch begonnen ist halb gewonnen.
Ohne es zu wissen, fing ich ein neues Leben an. Nach meiner Abschlußprüfung bekam ich eine gute Stelle und begann sofort zu arbeiten. Ich vergaß alle meine Qualen. Wie zufrieden war ich! « Glück und Glas, wie leicht zerbricht das ». Das hatte ich auch vergessen.
1993 beschloß ich meine Verbannung zu beenden. Zuerst hatte ich vor, an Weihnachten zu Hause zu sein. Da passierte etwas Gräßliches. Der erste demokratische Präsident von Burundi wurde ermordet. Dabei starben viele Leute. Ich erschrak und wagte nicht mehr in mein Vaterland zurückzukehren.
Trotzdem sehnte ich mich nach meiner Heimat und meiner Familie. Ich sorgte mich auch um meine Angehörigen. Während guten zwei Monaten hatte ich nichts mehr von ihnen gehört. Mir war etwas komisch zumute. « Hoffentlich ist ihnen nichts passiert » dachte ich jeden Tag.
Schließlich bekam ich einen Brief von meinem Bruder mit vielen Grüßen von der ganzen Familie. Alles war in Ordnung.
« Bitte komm nie mehr nach Burundi. Das kann für Dich gefährlich sein » sagte meine Mutter. Ich war zufrieden und zugleich traurig. Warum muß ich mein ganzes Leben lang Flüchtling bleiben? Das war zu ungerecht. Wie dem auch sei, wollte ich heimkehren. So mußte es sein. Das war mein einziges Ziel. Und auf diese Weise kehrte ich am 1.April 1994 in meine Heimat zurück. Das war ein unvergeßlicher Tag. Natürlich bin ich nicht erwartet worden, es war für alle eine Überraschung. Damals wußte ich noch nicht, daß ich nicht mehr nach Rwanda zurückzukehren würde.
Nach der Ermordung der beiden Präsidenten von Rwanda und Burundi verwandelte sich der Krieg in Rwanda in ein schreckliches Blutbad. Viele Leute starben. Die anderen flüchteten aus Rwanda nach Zaïre, Burundi, Tanzania und Uganda. Ich selbst habe nichts gesehen, weil ich schon in Burundi war. Meine Frau und die Kinder sind immer noch davon traumatisiert. Zum Glück konnten sie nach Bugarama, in Süd Ruanda an der Grenze zu Burundi, fliehen.
So geht es im Leben zu: ich verlor all meinen Besitz. Aber mein Mut war noch ganz unberührt. Normalerweise bin ich sehr mutig. « Geld verloren ist nichts verloren ». Nochmals fing ich einfach ein neues Leben an.
Ich war ganz in Gedanken versunken als meine Tochter mich ängstlich ansprach:
« Papi, glaubst du, daß man uns töten wird? »
« Ich glaube, daß jemand uns befreien wird » war die Antwort.
Ich sagte das nur, um ihr das Herz zu erleichtern, aber ich glaubte es gar nicht.
Schon wieder herrschte eine Todesstille. Dabei besann ich mich auf den Völkermord von 1972, auf meine Flucht nach Kongo und Ruanda, auf alle meine Missgeschicke ...