Walter Stürm in Haft
7. Flucht zu Ende
mif. Allen Hoffnungen zum Trotz, der 47jährige Walter Stürm habe sich den Fängen der Justiz ein für allemal entzogen, wurde er am Morgen des 30. Juni in seinem Appartement im Küstenort Valle Gran Rey auf der kleinen kanarischen Insel La Gomera verhaftet. Offensichtlich hat die Zürcher Kantonspolizei einen Tip bekommen (sie sagt nicht, von wem) und die Guardia Civil von Gomera - wo Walter Stürm als gerngesehener Inselbewohner lebte - auf ihn angesetzt. Hat man es im Mittelalter als gottgewollt betrachtet, wenn der Strick beim Vollzug der Todesstrafe durch Hängen riss, und demzufolge den Verurteilten laufenlassen, genügen bei Walter Stürm auch sieben Fluchten nicht, um ihn in Freiheit zu belassen
Nach vorübergehender Inhaftierung auf Gomera wurde er in die vor kurzem fertiggestellte und mit Hochsicherheitstrakten bestückte Vollzugsanstalt «Tenerife 2» gebracht, im Stadtviertel «La Esperanza» von Santa Cruz, der Hauptstadt Teneriffas. Wie der Direktor von «Tenerife 2» sagt, befinde sich Walter Stürm nicht in Isolationshaft und sei «nur aus Versehen» (was immer das heisst) dort, denn eigentlich hätte er ins kommunale Untersuchungsgefängnis kommen müssen. In diesen Tagen werde er dem Richter vorgeführt, weil er sich unter falschem Namen in Spanien aufgehalten habe:
«Ansonsten liegt hier gegen ihn nichts vor», sagt der Knastverwalter, was auch Stürms Anwalt in Teneriffa bestätigt.
Walter Stürm hätte im Kanton Zürich noch 16 Monate abzusitzen. Die Zürcher Staatsanwaltschaft, die auch die internationale Ausschreibung veranlasst hatte, stellt zuhanden des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) ein Dossier zusammen. Das EJPD muss innert 40 Tagen auf den Tisch legen, was in der Schweiz gegen Stürm vorliegt:
Wird etwas vergessen, kann er deswegen in der Schweiz nicht mehr belangt werden, denn die spanischen Behörden müssen prüfen können, ob in Spanien auch strafbar ist, wofür er ausgeliefert werden soll. Laut dem von der Schweiz und Spanien unterzeichneten Auslieferungsübereinkommen von 1957 sollen die ihm vorgeworfenen Delikte aufgelistet werden, «Zeit und Ort ihrer Begehung sowie ihre rechtliche Würdigung». Insbesondere die Kantone Aargau und Wallis müssen sich sputen: Die Aargauer Staatsanwaltschaft will Stürm mit neun Jahren Gefängnis bestraft sehen für angebliche Delikte, die bis ins Jahr 1973 zurückgehen. Weil aber «wiederholter Diebstahl» nach 15 Jahren verjährt, muss nun laut Rechtsanwältin Barbara Hug «ein wesentlicher Teil der Anklageschrift geändert werden». Eine Untersuchung im Kanton Wallis ist noch nicht abgeschlossen.
Ungewiss ist, ob Walter Stürm auf Teneriffa bleibt: Nach dem Direktor von «Tenerife 2» werde er demnächst ins örtliche Provinzgefängnis überführt; Ernst Weilenmann, stellvertretender Direktionssekretär der Zürcher Justizdirektion, schliesst nicht aus, dass er nach Madrid verlegt werde. Nach einer allfälligen Auslieferung - Stürms Anwalt in Teneriffa hat dagegen Rekurs eingereicht - sei es wahrscheinlich, dass er wieder nach Regensdorf komme. Weilenmann hat mit einer Rückkehr Stürms gerechnet: «Es ist erfahrungsgemäss schwierig, international über längere Zeit unterzutauchen.» Mit Stürm - seinen Fall bezeichnet Weilenmann als «nicht ganz Routine» - muss man in Zürich auch wieder auf öffentliches Interesse an den Haftbedingungen gefasst sein: 1987 löste sein Hungerstreik für Versetzung von der Isolationshaft in den Normalvollzug eine breite Solidaritätskampagne für Stürm und gegen das Regime der SP-Justizdirektorin Hedi Lang aus.