Hallo Savanne-Team, Ich habe mich riesig gefreut als ich ihre Antwort auf meine mail erhlaten habe und noch mehr wahr ich überrascht darüber, daß sie meine mail veröffentlichen wollten. Nun ja, es gab leider eine Sache, die mich etwas durcheinander brachte. Ihre Antwort kam als Word-Datei und als ich sie öffnen wollte passierte eigenartiges; mitten im Satz hörte sie einfach auf. Das heißt, ich habe leider nur einen Teil ihrer mail einsehen können. Bei dem Satz: "Es hat auch Folgen hier in der Schweiz, wir haben zusammen mit der ERNK eine Demo vorletzten Jahr gegen den .." und hier war plötzlich Schluss. Trotzdem habe ich den Kern ihrer mail einsehen können. Sie sprieben darin über die neue Linie der PKK nach der Verschleppung des Vorsitzenden Öcalan. Ich muß ehrlich zugeben, daß es genau diese Sache war, die mich vor 10 Monaten dazu brachte den Kontakt zu der Partei abzubrechen. Denn wer die Geschichte und den Kampf dieses Volkes und all der Männer und Frauen die füe seine Freiheit kämpften kennt, der weiß welch riesige Trauer und Wut im Herzen entsteht und wie unerträglich das ist, die Mörder und Tyrannen aufeinmal als "Freunde" akzeptieren zu müssen. Natürlich sollte man in politischen und gesellschaftlichen Fragen die Emotionalität außen vor lassen, einen kühlen Kopf bewahren und alle Aspekte und Faktoren eines Problems beachten und dementsprechend handeln. Aber da ist ja noch die Hoffnungslosigkeit gegenüber der Übermacht dieses feindlichen Systems, das so viele Völker dieser Erde ausbeutet, vernichtet und in Tränen erstickt. Und in so einem Moment kommen gerade die Leute, auf denen man seine ganzen Hoffnungen gesetz hat, mit Apellen an die Menschlichkeit und Demokratie. Wir alle wissen, Krieg ist eine schreckliche Sache .. und wir sind dessen froh, daß wir nicht mit solch einer Situation konfrontiert sind. Und es muß schon einiges in der Psyche eines Menschen kaputt sein, der sich nicht Frieden und ein harmonisches Miteinander der Völker dieser Welt wünscht. Aber die Unterdrücker und Schuldigen dieses Krieges waren bekannt; und diese Mächte sind es, welche immer noch am Machthebel lenken und mit Terror und Unterdrückung mein Volk ausbeuten. So war auch ich gezwungen, diese neue Linie der PKK abzulehnen...auch wenn sie noch so menschlich und friedlich war. Ich habe immer die Meinung vertreten, daß Tugend dem Gebührt der sie respektiert und annimmt. Aber just nach all den Friedensapellen und dem Rückzug der Gerillas aus dem türkischen Staatsgebiet passierte das, was seit der Staatsgründung nicht möglich geworden war: die rechtsextremen "Grau Wölfe" (MHP: Türkisch Nationalistische Bewegung) kamen als zweitstärkste Partei an die Macht und regierten von da an das Land. Es war natürlich nicht zu erwarten, daß sie den Friedensapellen der PKK würden positiv antworten. Doch trotz allem hielt die Partei fest an ihrem neuen Kurs. Wie schon oben erwähnt habe ich von da an die Partei und all seine Ideologie boykotiert. Wenn man dieses Weltsystem einigermaßen zumindest oberflächlich kennt und sich der Tatsache bewußt ist, daß alles auf der Welt miteinander verknüpft ist und kein gesellschaftliches Geschehen ohne dem Einflus der großen und mächtigen zur Stande kommt...dann ist dieses genau das was einen zwingt sich intensiver mit einer Sache zu befassen und das was einem als Wirklichkeit verkauft wird noch einmal durch den Sieb der Vernunft gehen zu lassen. Als ich letzen Monat wieder einmal die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift der kurdischen StudentInnen in Europa las wurde mir einiges klarer. Ein Artikel von dem Präsidialratmitglied Osman Öcalan über die These der demokratischen Republik "Probe und Reife unter Beweis stellen" macht aufmerksam auf einige Faktoren, die vielleicht auf dem ersten Blick nicht deutlich einzusehen sind. Ich möchte ihnen nun diesen Artikel schicken, und ich glaube daß er auf einige ihrer Fragen zumindest eine Stellungnahme sein wird. Probe und Reife unter Beweis stellen Von Osman Öcalan (Kurdistan) In einer Zeit, in der sich die Demokratische Republik als Lösung der Fragen und Probleme darbietet, erscheint es unverzichtbar, durch große Bemühungen und breite, tiefgehende Diskussionen weitgehende Kreativität herbeizuführen, um Klarheit schaffen zu können. Doch wir befinden uns in einer Situation, in der sich in den Diskussionen die Frage nach der richtigen Methode notwendiger als je zuvor stellt. Allen voran ist die Zeit gekommen, die Revolution in diesem Stadium auf die Probe zu stellen, den Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan, zu verstehen und eine Reife unter Beweis zu stellen. Hinter A. Öcalan zu stehen, heißt nicht, sich emotional an ihn gebunden zu fühlen, sondern die von ihm vertretene Philosophie, Ideologie, organisatorische Realität und den Geist zu verstehen und in diesem Rahmen produktiv zu arbeiten. (...) Bei den Diskussionen über die von A. Öcalan zur Diskussion gestellte Vorstellung der Demokratischen Republik treten unter den Kurdinnen und Kurden zwei grundlegende Richtungen auf. Die erste Einstellung ist die der Ablehnung. Es wird sich in opposition gestellt und abgewiesen. Darunter können wir statische, linksdogmatische Strömungen einordnen. Wie stark es auch nur bei Individuen aufzutreten scheint, verbirgt sich doch dahinter ein Verständnis und eine Anschauung, mit der sich zwangsläufig auf lange Sicht eine politische und ideologische Auseinandersetzung geliefert werden wird. Besonders im Ausland ist diese Ansicht verbreitet, also in Gegenden, die von Kurdistan und dessen konkreter Realität selbst weit entfernt sind. Diese Personen lehnen grundlegend jede Art der Veränderung und Erneuerung ab, womit eine Organisation langfristig ihren Sinn zur Existenz verliert. Die andere auftretende Einstellung zum Projekt der Demokratischen Republik ist die des Mittelweges. Menschen dieser Richtung sagen weder nein noch ja. Sie stehenzwischen dem Alten und Neuen, Unbestimmtheit lenkt sie in ihren Gedanken. Bezeichnet werden können sie als rechts-liberal. Daher tendieren sie manchmal in ihren Ansichten in Richtung der Ablehnung des neuen Prozesses. Langfristig werden diese Kreise, wenn sie nicht diese neue Strategie im Befreiungskampf begreifen können, zur Seite der Konterrevolutionäre überlaufen. Mit der revolutionären, legitimen ideologischen Einstellung haben wir insgesamt drei Tendenzen in diesem Stadium. Die ‚Demokratische Republik‘ ist die heutige These der Demokratischen Revolution Die erste zu treffende Feststellung ist die, daß die Lösung einer ‚Demokratischen Republik‘ die heutige These der Demokratischen Revolution ist, die sich unseren Bedingungen anpaßt. Auch wenn dabei Kurdistan und die Türkei zur der Entwicklung dieser Feststellung überwiegend zur Grundlage genommen wurde, trägt es doch einen universellen Charakter in sich. Diese Form der Lösung kann auf die Türkei und Nord-Kurdistan, aber auch auf Ost-Kurdistan und den Iran, Süd-Kurdistan und den Irak und Südwest-Kurdistan und Syrien angewandt werden. Diese These sollte bei der Lösung der kurdischen Frage in diesen Ländern zur Basis genommen werden. Zweifellos muß den in den verschiedenen Staaten herrschenden spezifischen Bedingungen große Achtung geschenkt werden; doch zeigt die Lösung von ihrem wesentlichen Inhalt her die Möglichkeit zum Weg der Lösung der kurdischen Frage in allen Teilen Kurdistans, womit sie im allgemeinen in Kurdistan und in allen über Kurdistan herrschenden Staaten den einzigen Weg zur Lösung der bestehenden Probleme darstellt. Darüber hinaus nimmt die Lösung eine Rolle einer These ein, die als die auf die heutigen Konditionen abgestimmte Form der Demokratischen Revolution auch für viele andere Länder, in denen nationale, religiöse und klassenbedingte Fragen anstehen, einen zu beschreitenden Weg darstellt. In diesem Sinne beweist die Lösung einen universellen Charakter. Nun stellt sich in diesem angeführten allgemeinen Rahmen die Frage nach einer detaillierten Darstellung der Ursachen. Hierzu müssen wir den Entwicklungsprozeß dieser These der Demokratischen Republik untersuchen, denn sie ist nicht einfach aus dem Nichts aufgetaucht. Die historischen Gründe reichen bis zu den durchlebten Problemen des Sozialismus. Der Realsozialismus löste sich vor zehn Jahren auf, und seitdem konnte kein Sozialismus mehr ins Leben gerufen werden. Hier handelte es sich nicht um eine taktische, sondern strategische Niederlage des Realsozialismus und nicht des Sozialismus an sich. Die PKK hat schon seit den Anfängen auf die Unzulänglichkeiten und Krankheiten des Realsozialismus hingewiesen. Zwar konnte sie nicht wie heutzutage eine tiefgehende Analyse durchführen, doch wurden schon relativ diese erkannt und festgestellt, daß so einiges falsch ablief. In diesen Jahren muß diese Diskussion intensiviert weitergeführt werden. Um die jetzige Linie der PKK und die aus gegebenen Bedingungen hervorgegangene These der Demokratischen Revolution verstehen zu können, muß an die Kritik am Realsozialismus von Neuen angegangen werden. Allen voran Marx und Engels, danach Lenin und die nachfolgenden Zeitgenossen haben breit angelegte Diskussionen darüber geführt, ob der Sozialismus in einem Land gegründet werden und auf welcher Basis der Sozialismus sich weiterentwickeln kann. Aus diesen Gründen sind auch viele verschiedene Vorstellungen aufgetreten, ebenso nach der Oktoberrevolution. Lenin sieht in dieser Phase die Notwendigkeit, eine spezifische Form der Demokratischen Revolution zu entwickeln. Aus dieser Sicht versucht er, ein neues ökonomisches System namens NEP voranzutreiben. Vielleicht hat er es nicht ganz detailliert aufführen können, doch Lenin erhebt ernsthafte Zweifel während des Aufbau des Sozialismus im halbfeudalen und halbkapitalistischen Rußland. Er erkennt, daß für den Aufbau des Sozialismus auf einer rückständigen Gesellschaftsgrundlage ein Prozeß durchlebt werden muß, der das Land darauf vorbereitet. Deshalb soll der Prozeß NEP beginnen. Mit diesem Prozeß beabsichtigte er, die Sowjetunion zum die Errichten des Sozialismus wissenschaftlich und technisch, wiederum kulturell, ökonomisch, sozial und politisch vorzubereiten. Doch Lenin stirbt, ohne diesen Prozeß ernsthaft in Gang setzen zu können. Die Nachfolger von Lenin, besonders Stalin setzen sich über diese Vorstellungen hinweg und geben ihnen keine Achtung. dies wird nicht als eine strategische Phase bewertet, sondern auf eine Taktik herabgesetzt. Von der Zeit her wird es vergänglich und vom Umfang her begrenzt angesehen und dem Sinn seines Wesen entraubt. Im folgenden behauptet Stalin nach den Zwangsvergesellschaftungen und der Zwangsunterdrückung und -aufhebung der Klassen, daß die Demokratische Revolution vollendet sei und eben aus diesem Grund die ökonomische Grundlage der Demokratischen Revolution NEP nicht mehr Geltung haben könne. Hier wird eigentlich der Entwicklung gegenüber ein großer Zwang ausgeübt und Lenin mit seinen Vorstellungen geradezu abgewiesen. Und genau in diesem Punkt ist die wahre Ausweglosigkeit des Realsozialismus zu suchen. Denn nach einer gewissen Entwicklung gerät alles ins Stocken. Der Zweite Weltkrieg fordert von der vollständig mobilisierten Gesellschaft eine große Opferbereitschaft. Mit dieser Aufopferung und der präzisen Auswertung der Situation kann sich der Realsozialismus durch Beanspruchen seiner Kräfte bis ans Äußerste einige Entwicklungen bis in die siebziger Jahre erarbeiten. Danach folgt allerdings kaum etwas, da es sich vorher um eine eher künstliche Entwicklung gehandelt hat. Das dazugehörige wissenschaftliche, technische, soziale, kulturelle, ökonomische und politische Fundament wurde nicht gelegt. Diese Stagnation verdeutlicht sich in den 80er Jahren und ab 1990 setzte eine schreckliche Vernichtung und Auflösung all dessen ein, so daß sich kaum jemand dagegen stellte. Daraus geht hervor, daß sich die vom Realsozialismus geschaffenen Entwicklungen auf Zwang gestützt haben. Mit den vorhandenen Entwicklungen hat sich die Gesellschaft nicht identifizieren, sie hat diese nicht als Ihrige bezeichnen können. Gleichzeitig hat es jedoch zu den Entwicklungen im ökonomischen Gebiet, keine in den anderen Bereichen gegeben. Die Folge davon war die Auflösung dieses Systems. Wir ziehen hieraus das Fazit, daß in einem Land, in dem nicht die Demokratische Revolution vorangetrieben wurde, das Errichten des Sozialismus nur zu vorübergehenden Ergebnissen führen kann, aber im Endeffekt doch zum Niedergang verurteilt ist. Und wenn die Auflösung stattfindet, wird, wie die Beispiele der Sowjetunion und Osteuropas zeigen, die Gesellschaft in die eine rückständige Lage und Situation vor der Revolution hineinversetzt. Die Demokratische Revolution kann sich nicht innerhalb des Sozialismus verwirklichen, sonst werden wir das gleiche Schicksal wie in Osteuropa und der UdSSR erleben. Sie ist selbst als eine strategische Phase aufzufassen. Ein weiterer Kritikpunkt am Realsozialismus ist die selbst betriebene Isolation und damit das Versetzen in die Verteidigungsposition. Anstatt die bejahenden und positiven Seiten des Kapitalismus für die eigene Entwicklung zu verwende, hingegen die negativen Seiten zu kritisieren und zu bekämpfen, hat der Realsozialismus sich hinter einem eisernen Vorhang versteckt. Miteinander zu leben, dabei diese Politik durchzuführen, hat der Realsozialismus nicht verwirklichen können. Zum Schluß wurde er vom Kapitalismus abhängig. Hieraus sehen wir, daß kein Sozialismus aufzubauen ist, bei dem ein totales Abschotten und Ablehnen gegenüber der anderen Seite stattfindet. Die bisher gültigen Thesen und Einstellungen sind daher zu überwinden. Die wichtigste Stütze einer neuen Annäherung an diese Problematik stellt die spezifische Entwicklungsform der Demokratischen Revolution dar. Nicht allein die Eroberung der Herrschaft, sondern das Legen des Schwerpunkts in den Entwicklungen vor und nach der Revolution sollten dazu dienen, die Brücke zum Kapitalismus aufzulösen. Dabei sollte jedoch kein offener Frontenkampf mit der Gegenseite, sondern eine ineinandergehende Auseinandersetzung geführt werden, womit die Demokratische Revolution nur vorangebracht werden kann. Diese Herangehensweise ist gleichzeitig eine der Thesen zum Mißerfolg des Realsozialismus. Die demokratische Umgestaltung ist ohne Erlangen der Herrschaft Wirklichkeit geworden Neben dem Integrieren der Demokratischen Revolution in das Stadium des Sozialismus beschränkt der Realsozialismus alle demokratischen Umgestaltungen nach der Ergreifung der Macht im Land. Die These, daß ohne die Errichtung der Herrschaft keine demokratische Umgestaltungen vorzunehmen sind, ist durch die Praxis der PKK verneint worden. Bevor die PKK die Herrschaft in Kurdistan in die Hand genommen hat, konnte sie eine beträchliche politische, militärische, kulturelle und diplomatische Kraft erlangen und die Gesellschaft entscheidend verändern und umgestalten. Es kann von einer großen sozialen Revolution ausgegangen werden, die fast alle reaktionäre, feudale, regionale, Klanbindungen aufgespalten hat. Statt dessen sind die nationalen Bindungen hervorgetreten. Die ganze Gesellschaft geht dazu über, unabhängige Bindungen aufzubauen. Dies sollte, ohne daß die Revolution die Herrschaft übernimmt, als eine revolutionäre Umgestaltung verstanden werden. Weiterhin haben wir unter den gegebenen Bedingungen eine kulturelle Revolution durchführen können. Eine nationale Kultur ist sozusagen im Aufbau; von der Literatur bis über Musik und bis hin zum Theater ist eine umfangreiche national-kulturelle Entwicklung in Gang gesetzt und der Gesellschaft ein nationales Bewußtsein gegeben worden. Die Gesellschaft hat sich ein großes politisches und nationales Bewußtsein angeeignet. Diese Entwicklung kann als die zweite große revolutionäre Umgestaltung und Revolution betrachtet werden. Der dritte wichtige Aspekt ist die Revolution in Bezug zur Frau und zum Geschlechterverhältnis. Die kurdische Frau konnte bis vor kurzem unter keinen Umständen weder in die politischen noch kulturellen Beziehungen der Gesellschaft eintreten. In der Gesellschaft herrschte eine sehr ‚dunkle‘ Situation für die Frau und ein sehr reaktionär-feudales Verständnis von ihr. Nach dem Erarbeiten einer gefestigten Machtposition der PKK in der Gesellschaft konnte die kurdische Frau bisher in einem relativ intensivem Maße befreit werden. Nicht nur im eigenen Dorf oder Viertel, sondern in jeder Ecke des Landes kann sie nun am kulturellen, sozialen, politischen und militärischen Leben teilhaben. Dies hat sich im Laufe der Zeit auf die internationale Bühne verlagert. Dieser Entwicklungsprozeß kann als die vielleicht wichtigste Revolution oder revolutionäre Veränderung in der Gesellschaft gesehen werden. Und dies wurde erreicht, ohne daß die Herrschaft über das Land in der Hand der KurdInnen liegt. Weiterhin wurde eine nationale Einheit geschaffen. Obwohl kein Herrschaftsorgan unter unserer Kontrolle ist, wurden die Grenzen sowohl in den Köpfen als auch in der Praxis überwunden. Beziehungen unter den KurdInnen wurden von der einen bis in die anderen Ecke Kurdistans aufgebaut. Dies steuert jetzt auf eine Einheit in der Sprache, im Geist und sogar im Leben zu. Am deutlichsten sind diese Veränderungen in der Guerilla und im politischen Leben zu erkennen. Hierbei handelt es sich um eine andere revolutionäre Umgestaltung. Nach diesem Aufgeführten steht vor uns eine große Bewegung der Aufklärung der kurdischen Bevölkerung. Alle Klassen und Kategorien und alle rückständige Teile der Gesellschaft erfahren momentan eine umfangreiche Aufklärung und Veränderung in ihrem Bewußtsein. Wir sind mit einer Volksrealität in Kurdistan konfrontiert, die heute die Welt kennt, bewertet und eine Stufe erreicht hat, von der es dementsprechend die eigenen Interessen vertreten kann. Dies kann als eine aufklärerische Revolution bezeichnet werden. Aus dem oben Gesagten hervorgehend folgern wir, daß die demokratische und revolutionäre Umgestaltung und Formung der Gesellschaft nicht die Übernahme der Herrschaftsinstitutionen bedingt. In vielen anderen Ländern sind diese Entwicklungen im umgekehrten Fall eingetreten. Kurdistan hat uns jedoch gelehrt, daß all diese Entwicklungen auch ohne Herrschaftsinstitutionen geschaffen wurden. Niemand stützte sich dabei auf diese Institutionen, die erleichternd auf solch eine Umgestaltung wirken. Ohne solche Herrschaftsorgane ist eine Veränderung der Gesellschaft tiefgreifend und langfristig gesehen fundierter, weil auf diese Weise bezüglich des Themas viel detaillierter und grundlegender analysiert werden muß. Nach diesen gesetzten Pfeilern und diesem Rahmen beinhaltet das Projekt der Demokratischen Republik und die These der Revolution folgendes: Erstens; auch ohne die Herrschaft in der Hand zu haben, d.h. solange die Bourgeoisie und die herrschenden Staatskräfte an der Macht sind, kann eine revolutionäre Umgestaltung und Veränderung für uns im positiven Sinne erreicht werden. Wenn der politische Kampf ausgeweitet wird, d.h. diese herrschenden Kräfte auf der politische Bühne bedrängt und in begrenztem Maße eine gewisse eigene Herrschaft hergestellt wird, kann die demokratische Umgestaltung weiter vorangetrieben werden. Von der These der Demokratischen Republik soll in erster Hinsicht dies abgeleitet werden. Zweitens; in Anbetracht der als wertlos zu bewertenden Thesen können wir folgendes konkret und ganz offen mitteilen: Die Demokratische Republik muß als ein einzelnes Stadium aufgefaßt werden. Es ist nicht eine Vorstufe der sozialistischen Revolution oder Vorbereitungszeit des sozialistischen Aufbaus. Es muß selbst als eine Einheit gesehen werden. Dies ist sowohl aus zeitlichen Gründen als auch aus der Sicht der Vorbereitung auf ein höheres System und auf den sozialistischen Aufbau notwendig. Wenn dieser Zeitraum kurz gehalten, also eine Abkürzung zu nehmen versucht wird, kehrt man zwangsläufig zum Anfang zurück, was uns der Realsozialismus bewiesen hat. Auch wenn schnelle und kurzfristige Erfolge erzielt werden, wirft einen die Realitäten nach einer gewissen Zeit wieder an der Anfang zurück. Zwar sind die Bedingungen des Rußlands von 1917 nicht ganz deckungsgleich mit denen von heute, doch haben die Probleme von damals die gleiche Qualität wie heute. So liegt Rußland technisch gesehen hinter der Zeit zurück. Das ökonomische, kulturelle und soziale Leben befindet sich weit hinter dem des Westens. Wie kann sich ein solches System, das seine Länder so weit hinter die fortgestrittenen Welt wirft, als Vorbild dienen? Überhaupt nicht. Die Demokratische Revolution ist ein eigenes Stadium Wie oben aufgeführt kann die Zeit der Demokratischen Revolution nicht als eine Vorstufe zum Sozialismus angesehen werden. Da es als eine eigene Phase gewichtet werden muß, wird es eine längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Gesellschaft wird an das demokratische Leben als Ganzes herangeführt, infolge dessen die Gesellschaft heranreift, sich weiterentwickelt und ein neues Niveau erreicht. Erst danach kann die Revolution oder der Sozialismus als eine höhere Stufe eingeleitet werden. Allerdings sollte angeführt werden, daß diese Art des Weges nicht nur auf Kurdistan zu begrenzen ist, sondern eine universelle Qualität besitzt. Im konkreten Fall Kurdistans tritt es in Erscheinung und ist auf Länder wie Lateinamerika, Indochina, Nahen Osten, Balkan und Afrika zu übertragen – wobei natürlich auf die besonderen Gegebenheiten zu achten ist -, also auf Länder und Regionen, in denen bis heute keine Entwicklung erreicht werden konnte. Daß jedes Land, jede Region zu beachtende Unterschiede hat, zeigt sich sogar zwischen Nord-Kurdistan und der Türkei zu Süd-Kurdistan und dem Irak oder zu Ost-Kurdistan und dem Iran. In einer demokratischen Republik können wir einiges von der türkischen Bevölkerung erlernen und auch dieser etwas zurückgeben. In dieser Frage werden die KurdInnen keine Schwierigkeiten erleben. Wenn wir uns die historische Entwicklung der KurdInnen, die zumeist von fremder Besatzung geprägt war, vor Augen halten, so erkennen wir, daß die KurdInnen sowohl für sich als auch für andere Länder und Völker gelebt haben. Die kurdische Bevölkerung hat sich im Laufe der Zeit die nationalen Werte der Türken, Araber und Perser angeeignet, was jedoch immer mehr zum Ausschöpfen und Verbrauch, d.h. zu einem Entfremden und Lossagen von den eigenen nationalen Werten führte. Die kurdische Freiheitsbewegung lehnt nicht die nationalen Werte anderer Menschen ab, vielmehr trat der internationalistische Charakter in den Vordergrund. Wogegen stellen? Mit der Aneignung dieser nationalen Werte wurden die eigenen Werte verdrängt, was langsam zu einem Auslöschen der Kulturgeschichte bis zu etwa vor etwa 10 bis 15 Jahren führte. Mit der 25-jährigen Bewegung und dem 15-jährigen Befreiungskampf wurde diese Entwicklung gestoppt und ein nationaler Widerstand an den Tag gelegt. Die kurdische Bevölkerung hat seine nationalen Werte kennengelernt, sich dieser wieder genähert und die Kraft, Fähigkeit und Möglichkeit erarbeitet, diese zu entwickeln. Hier an diesem Punkt lehnt die Freiheitsbewegung nicht die nationalen Werte des türkischen, arabischen und persischen Volkes ab, statt dessen können diese sogar eine vielfalt Ergänzung für die kurdische Bevölkerung selbst darstellen. Auf dieser Basis, zusammen mit diesen drei Kulturen zu leben ist keine Ablehnung unserer eigenen Kultur. Heute haben wir die Kraft und Fähigkeit erreicht auf gleichberechtigter Ebene mit diesen Völker nebeneinander leben zu können. Jetzt einen eigenen Staat zu haben, ist keine dringende Aufgabe und Notwendigkeit. Es soll nicht behauptet werden, daß es falsch sei, einen unabhängigen Staat zu lenken und zu führen. Doch wenn wir uns die Realitäten der Region, auch die aktuellen und historische Realität vor Augen führen, ist es jetzt nicht von Nutzen, einen eigenen unabhängigen Staat zu errichten. Ohne Zweifel ist solch eine Entwicklung zu bejahen, doch dann hätten die KurdInnen das große Problem der Verwirklichung dessen. Die Gleichgewichtskonstellationen auf der Welt und im Nahen Osten und die Charaktere der über Kurdistan herrschenden Länder machen es praktisch unmöglich. Sollte bei dieser Realität unnötig auf der Strategie beharrt werden oder besser ohne das eigene Wesen zu verlieren und zu vernachlässigen eine Lösung formuliert werden? Die kurdische Seite muß Lösungen formulieren, vorschlagen und fordern. Und diese Lösung ist keine Föderation oder Autonomie, sondern die Demokratische Republik. Auf diesem Weg wird die Tür offen gehalten sich, auf begrenzter Geographie sozial, kulturell und ökonomisch zu vertiefen, andere Nationen in der Region sozial, kulturell, ökonomisch und politisch zu beeinflussen und von ihnen positive Elemente zu übernehmen. So wird eine Verwirklichung eines eigenen unabhängigen Staates noch greifbarer. Eine Föderation hingegen wird durch Grenzen eingeschränkt. Von den Nachbarvölkern kann weder was genommen noch kann ihnen etwas gegeben werden. Bei einer Autonomie verhält es sich genauso. Dies sei nicht im negativen Sinne gesagt. Bei einer Föderation und Autonomie nähern die anderen Teile der Gesellschaft sich nicht so sehr freiwillig der kurdischen Frage, sie akzeptieren sie aus gegebenen Gründen. Sie sind gezwungen etwas einzugestehen. Aber sobald sie sich wieder stark genug fühlen, werden sie versuchen, das einzuschränken. Hier ist der Charakter des jeweiligen Regimes nicht entscheidend, d.h. eine Föderation oder Autonomie ist kein Maß dafür, ob es sich um einen demokratischen Staat handelt. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wird es sich Bestreben geben, die Autonomie oder Föderation zurückzunehmen, da das Regime diesen keinen Wert beimißt. Eine Folge solch einer Entwicklung wären wiederholte Auseinandersetzungen und Kämpfe. Unter den existenten Bedingungen auf der Welt und im Nahen Osten ist eine demokratische Republik die geeignetste Lösung, da die Möglichkeit geboten wird, die herrschende Nation durch eigene Werte zu beeinflussen und etwas von ihren positiven Elementen zu übernehmen. Vor uns liegt eine große Möglichkeit. Die kurdische Bevölkerung, die einen 25-jährige Bewegung und einen 15-jährigen Kampf hinter sich gelassen und sich zu einer großen Kraft formiert hat, kann dies bewätigen und schaffen. Die KurdInnen trauen sich in dieser Sache so einiges zu. Wichtig ist bei der ganzen Sache das Wesen und nicht der Schein. Eine demokratische Republik steht den Vorstellungen nicht im Wege. Wenn nicht auf diese Weise vorgegangen wird, kann keine Lösung herbeigeführt werden. Diese Ansichten der Freiheitsbewegung sind eine Synthese der bisherigen Ansichten; aus den bis zu diesem Tage geäußerten Vorstellungen ist das Beste und Geeignetste hervorgekommen. Die Vorstellungen über die demokratische Republik sind nicht aus dem Nichts gekommen, sondern haben eine lange Vorgeschichte, auf die wir in diesem Artikel etwas detailliert eingegangen sind.