Hallo Savanne-Team, Ich habe mich riesig gefreut als ich ihre Antwort auf
meine mail erhlaten habe und noch mehr wahr ich überrascht darüber,
daß sie meine mail veröffentlichen wollten. Nun ja, es gab leider
eine Sache, die mich etwas durcheinander brachte. Ihre Antwort kam als
Word-Datei und als ich sie öffnen wollte passierte eigenartiges; mitten
im Satz hörte sie einfach auf. Das heißt, ich habe leider nur
einen Teil ihrer mail einsehen können. Bei dem Satz: "Es hat auch
Folgen hier in der Schweiz, wir haben zusammen mit der ERNK eine Demo vorletzten
Jahr gegen den .." und hier war plötzlich Schluss. Trotzdem habe ich
den Kern ihrer mail einsehen können. Sie sprieben darin über
die neue Linie der PKK nach der Verschleppung des Vorsitzenden Öcalan.
Ich muß ehrlich zugeben, daß es genau diese Sache war, die
mich vor 10 Monaten dazu brachte den Kontakt zu der Partei abzubrechen.
Denn wer die Geschichte und den Kampf dieses Volkes und all der Männer
und Frauen die füe seine Freiheit kämpften kennt, der weiß
welch riesige Trauer und Wut im Herzen entsteht und wie unerträglich
das ist, die Mörder und Tyrannen aufeinmal als "Freunde" akzeptieren
zu müssen. Natürlich sollte man in politischen und gesellschaftlichen
Fragen die Emotionalität außen vor lassen, einen kühlen
Kopf bewahren und alle Aspekte und Faktoren eines Problems beachten und
dementsprechend handeln. Aber da ist ja noch die Hoffnungslosigkeit gegenüber
der Übermacht dieses feindlichen Systems, das so viele Völker
dieser Erde ausbeutet, vernichtet und in Tränen erstickt. Und in so
einem Moment kommen gerade die Leute, auf denen man seine ganzen Hoffnungen
gesetz hat, mit Apellen an die Menschlichkeit und Demokratie. Wir alle
wissen, Krieg ist eine schreckliche Sache .. und wir sind dessen froh,
daß wir nicht mit solch einer Situation konfrontiert sind. Und es
muß schon einiges in der Psyche eines Menschen kaputt sein, der sich
nicht Frieden und ein harmonisches Miteinander der Völker dieser Welt
wünscht. Aber die Unterdrücker und Schuldigen dieses Krieges
waren bekannt; und diese Mächte sind es, welche immer noch am Machthebel
lenken und mit Terror und Unterdrückung mein Volk ausbeuten. So war
auch ich gezwungen, diese neue Linie der PKK abzulehnen...auch wenn sie
noch so menschlich und friedlich war. Ich habe immer die Meinung vertreten,
daß Tugend dem Gebührt der sie respektiert und annimmt. Aber
just nach all den Friedensapellen und dem Rückzug der Gerillas aus
dem türkischen Staatsgebiet passierte das, was seit der Staatsgründung
nicht möglich geworden war: die rechtsextremen "Grau Wölfe" (MHP:
Türkisch Nationalistische Bewegung) kamen als zweitstärkste Partei
an die Macht und regierten von da an das Land. Es war natürlich nicht
zu erwarten, daß sie den Friedensapellen der PKK würden positiv
antworten. Doch trotz allem hielt die Partei fest an ihrem neuen Kurs.
Wie schon oben erwähnt habe ich von da an die Partei und all seine
Ideologie boykotiert. Wenn man dieses Weltsystem einigermaßen zumindest
oberflächlich kennt und sich der Tatsache bewußt ist, daß
alles auf der Welt miteinander verknüpft ist und kein gesellschaftliches
Geschehen ohne dem Einflus der großen und mächtigen zur Stande
kommt...dann ist dieses genau das was einen zwingt sich intensiver mit
einer Sache zu befassen und das was einem als Wirklichkeit verkauft wird
noch einmal durch den Sieb der Vernunft gehen zu lassen. Als ich letzen
Monat wieder einmal die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift der
kurdischen StudentInnen in Europa las wurde mir einiges klarer. Ein Artikel
von dem Präsidialratmitglied Osman Öcalan über die These
der demokratischen Republik "Probe und Reife unter Beweis stellen" macht
aufmerksam auf einige Faktoren, die vielleicht auf dem ersten Blick nicht
deutlich einzusehen sind. Ich möchte ihnen nun diesen Artikel schicken,
und ich glaube daß er auf einige ihrer Fragen zumindest eine Stellungnahme
sein wird. Probe und Reife unter Beweis stellen Von Osman Öcalan (Kurdistan)
In einer Zeit, in der sich die Demokratische Republik als Lösung der
Fragen und Probleme darbietet, erscheint es unverzichtbar, durch große
Bemühungen und breite, tiefgehende Diskussionen weitgehende Kreativität
herbeizuführen, um Klarheit schaffen zu können. Doch wir befinden
uns in einer Situation, in der sich in den Diskussionen die Frage nach
der richtigen Methode notwendiger als je zuvor stellt. Allen voran ist
die Zeit gekommen, die Revolution in diesem Stadium auf die Probe zu stellen,
den Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan, zu verstehen und eine Reife
unter Beweis zu stellen. Hinter A. Öcalan zu stehen, heißt nicht,
sich emotional an ihn gebunden zu fühlen, sondern die von ihm vertretene
Philosophie, Ideologie, organisatorische Realität und den Geist zu
verstehen und in diesem Rahmen produktiv zu arbeiten. (...) Bei den Diskussionen
über die von A. Öcalan zur Diskussion gestellte Vorstellung der
Demokratischen Republik treten unter den Kurdinnen und Kurden zwei grundlegende
Richtungen auf. Die erste Einstellung ist die der Ablehnung. Es wird sich
in opposition gestellt und abgewiesen. Darunter können wir statische,
linksdogmatische Strömungen einordnen. Wie stark es auch nur bei Individuen
aufzutreten scheint, verbirgt sich doch dahinter ein Verständnis und
eine Anschauung, mit der sich zwangsläufig auf lange Sicht eine politische
und ideologische Auseinandersetzung geliefert werden wird. Besonders im
Ausland ist diese Ansicht verbreitet, also in Gegenden, die von Kurdistan
und dessen konkreter Realität selbst weit entfernt sind. Diese Personen
lehnen grundlegend jede Art der Veränderung und Erneuerung ab, womit
eine Organisation langfristig ihren Sinn zur Existenz verliert. Die andere
auftretende Einstellung zum Projekt der Demokratischen Republik ist die
des Mittelweges. Menschen dieser Richtung sagen weder nein noch ja. Sie
stehenzwischen dem Alten und Neuen, Unbestimmtheit lenkt sie in ihren Gedanken.
Bezeichnet werden können sie als rechts-liberal. Daher tendieren sie
manchmal in ihren Ansichten in Richtung der Ablehnung des neuen Prozesses.
Langfristig werden diese Kreise, wenn sie nicht diese neue Strategie im
Befreiungskampf begreifen können, zur Seite der Konterrevolutionäre
überlaufen. Mit der revolutionären, legitimen ideologischen Einstellung
haben wir insgesamt drei Tendenzen in diesem Stadium. Die ‚Demokratische
Republik‘ ist die heutige These der Demokratischen Revolution Die erste
zu treffende Feststellung ist die, daß die Lösung einer ‚Demokratischen
Republik‘ die heutige These der Demokratischen Revolution ist, die sich
unseren Bedingungen anpaßt. Auch wenn dabei Kurdistan und die Türkei
zur der Entwicklung dieser Feststellung überwiegend zur Grundlage
genommen wurde, trägt es doch einen universellen Charakter in sich.
Diese Form der Lösung kann auf die Türkei und Nord-Kurdistan,
aber auch auf Ost-Kurdistan und den Iran, Süd-Kurdistan und den Irak
und Südwest-Kurdistan und Syrien angewandt werden. Diese These sollte
bei der Lösung der kurdischen Frage in diesen Ländern zur Basis
genommen werden. Zweifellos muß den in den verschiedenen Staaten
herrschenden spezifischen Bedingungen große Achtung geschenkt werden;
doch zeigt die Lösung von ihrem wesentlichen Inhalt her die Möglichkeit
zum Weg der Lösung der kurdischen Frage in allen Teilen Kurdistans,
womit sie im allgemeinen in Kurdistan und in allen über Kurdistan
herrschenden Staaten den einzigen Weg zur Lösung der bestehenden Probleme
darstellt. Darüber hinaus nimmt die Lösung eine Rolle einer These
ein, die als die auf die heutigen Konditionen abgestimmte Form der Demokratischen
Revolution auch für viele andere Länder, in denen nationale,
religiöse und klassenbedingte Fragen anstehen, einen zu beschreitenden
Weg darstellt. In diesem Sinne beweist die Lösung einen universellen
Charakter. Nun stellt sich in diesem angeführten allgemeinen Rahmen
die Frage nach einer detaillierten Darstellung der Ursachen. Hierzu müssen
wir den Entwicklungsprozeß dieser These der Demokratischen Republik
untersuchen, denn sie ist nicht einfach aus dem Nichts aufgetaucht. Die
historischen Gründe reichen bis zu den durchlebten Problemen des Sozialismus.
Der Realsozialismus löste sich vor zehn Jahren auf, und seitdem konnte
kein Sozialismus mehr ins Leben gerufen werden. Hier handelte es sich nicht
um eine taktische, sondern strategische Niederlage des Realsozialismus
und nicht des Sozialismus an sich. Die PKK hat schon seit den Anfängen
auf die Unzulänglichkeiten und Krankheiten des Realsozialismus hingewiesen.
Zwar konnte sie nicht wie heutzutage eine tiefgehende Analyse durchführen,
doch wurden schon relativ diese erkannt und festgestellt, daß so
einiges falsch ablief. In diesen Jahren muß diese Diskussion intensiviert
weitergeführt werden. Um die jetzige Linie der PKK und die aus gegebenen
Bedingungen hervorgegangene These der Demokratischen Revolution verstehen
zu können, muß an die Kritik am Realsozialismus von Neuen angegangen
werden. Allen voran Marx und Engels, danach Lenin und die nachfolgenden
Zeitgenossen haben breit angelegte Diskussionen darüber geführt,
ob der Sozialismus in einem Land gegründet werden und auf welcher
Basis der Sozialismus sich weiterentwickeln kann. Aus diesen Gründen
sind auch viele verschiedene Vorstellungen aufgetreten, ebenso nach der
Oktoberrevolution. Lenin sieht in dieser Phase die Notwendigkeit, eine
spezifische Form der Demokratischen Revolution zu entwickeln. Aus dieser
Sicht versucht er, ein neues ökonomisches System namens NEP voranzutreiben.
Vielleicht hat er es nicht ganz detailliert aufführen können,
doch Lenin erhebt ernsthafte Zweifel während des Aufbau des Sozialismus
im halbfeudalen und halbkapitalistischen Rußland. Er erkennt, daß
für den Aufbau des Sozialismus auf einer rückständigen Gesellschaftsgrundlage
ein Prozeß durchlebt werden muß, der das Land darauf vorbereitet.
Deshalb soll der Prozeß NEP beginnen. Mit diesem Prozeß beabsichtigte
er, die Sowjetunion zum die Errichten des Sozialismus wissenschaftlich
und technisch, wiederum kulturell, ökonomisch, sozial und politisch
vorzubereiten. Doch Lenin stirbt, ohne diesen Prozeß ernsthaft in
Gang setzen zu können. Die Nachfolger von Lenin, besonders Stalin
setzen sich über diese Vorstellungen hinweg und geben ihnen keine
Achtung. dies wird nicht als eine strategische Phase bewertet, sondern
auf eine Taktik herabgesetzt. Von der Zeit her wird es vergänglich
und vom Umfang her begrenzt angesehen und dem Sinn seines Wesen entraubt.
Im folgenden behauptet Stalin nach den Zwangsvergesellschaftungen und der
Zwangsunterdrückung und -aufhebung der Klassen, daß die Demokratische
Revolution vollendet sei und eben aus diesem Grund die ökonomische
Grundlage der Demokratischen Revolution NEP nicht mehr Geltung haben könne.
Hier wird eigentlich der Entwicklung gegenüber ein großer Zwang
ausgeübt und Lenin mit seinen Vorstellungen geradezu abgewiesen. Und
genau in diesem Punkt ist die wahre Ausweglosigkeit des Realsozialismus
zu suchen. Denn nach einer gewissen Entwicklung gerät alles ins Stocken.
Der Zweite Weltkrieg fordert von der vollständig mobilisierten Gesellschaft
eine große Opferbereitschaft. Mit dieser Aufopferung und der präzisen
Auswertung der Situation kann sich der Realsozialismus durch Beanspruchen
seiner Kräfte bis ans Äußerste einige Entwicklungen bis
in die siebziger Jahre erarbeiten. Danach folgt allerdings kaum etwas,
da es sich vorher um eine eher künstliche Entwicklung gehandelt hat.
Das dazugehörige wissenschaftliche, technische, soziale, kulturelle,
ökonomische und politische Fundament wurde nicht gelegt. Diese Stagnation
verdeutlicht sich in den 80er Jahren und ab 1990 setzte eine schreckliche
Vernichtung und Auflösung all dessen ein, so daß sich kaum jemand
dagegen stellte. Daraus geht hervor, daß sich die vom Realsozialismus
geschaffenen Entwicklungen auf Zwang gestützt haben. Mit den vorhandenen
Entwicklungen hat sich die Gesellschaft nicht identifizieren, sie hat diese
nicht als Ihrige bezeichnen können. Gleichzeitig hat es jedoch zu
den Entwicklungen im ökonomischen Gebiet, keine in den anderen Bereichen
gegeben. Die Folge davon war die Auflösung dieses Systems. Wir ziehen
hieraus das Fazit, daß in einem Land, in dem nicht die Demokratische
Revolution vorangetrieben wurde, das Errichten des Sozialismus nur zu vorübergehenden
Ergebnissen führen kann, aber im Endeffekt doch zum Niedergang verurteilt
ist. Und wenn die Auflösung stattfindet, wird, wie die Beispiele der
Sowjetunion und Osteuropas zeigen, die Gesellschaft in die eine rückständige
Lage und Situation vor der Revolution hineinversetzt. Die Demokratische
Revolution kann sich nicht innerhalb des Sozialismus verwirklichen, sonst
werden wir das gleiche Schicksal wie in Osteuropa und der UdSSR erleben.
Sie ist selbst als eine strategische Phase aufzufassen. Ein weiterer Kritikpunkt
am Realsozialismus ist die selbst betriebene Isolation und damit das Versetzen
in die Verteidigungsposition. Anstatt die bejahenden und positiven Seiten
des Kapitalismus für die eigene Entwicklung zu verwende, hingegen
die negativen Seiten zu kritisieren und zu bekämpfen, hat der Realsozialismus
sich hinter einem eisernen Vorhang versteckt. Miteinander zu leben, dabei
diese Politik durchzuführen, hat der Realsozialismus nicht verwirklichen
können. Zum Schluß wurde er vom Kapitalismus abhängig.
Hieraus sehen wir, daß kein Sozialismus aufzubauen ist, bei dem ein
totales Abschotten und Ablehnen gegenüber der anderen Seite stattfindet.
Die bisher gültigen Thesen und Einstellungen sind daher zu überwinden.
Die wichtigste Stütze einer neuen Annäherung an diese Problematik
stellt die spezifische Entwicklungsform der Demokratischen Revolution dar.
Nicht allein die Eroberung der Herrschaft, sondern das Legen des Schwerpunkts
in den Entwicklungen vor und nach der Revolution sollten dazu dienen, die
Brücke zum Kapitalismus aufzulösen. Dabei sollte jedoch kein
offener Frontenkampf mit der Gegenseite, sondern eine ineinandergehende
Auseinandersetzung geführt werden, womit die Demokratische Revolution
nur vorangebracht werden kann. Diese Herangehensweise ist gleichzeitig
eine der Thesen zum Mißerfolg des Realsozialismus. Die demokratische
Umgestaltung ist ohne Erlangen der Herrschaft Wirklichkeit geworden Neben
dem Integrieren der Demokratischen Revolution in das Stadium des Sozialismus
beschränkt der Realsozialismus alle demokratischen Umgestaltungen
nach der Ergreifung der Macht im Land. Die These, daß ohne die Errichtung
der Herrschaft keine demokratische Umgestaltungen vorzunehmen sind, ist
durch die Praxis der PKK verneint worden. Bevor die PKK die Herrschaft
in Kurdistan in die Hand genommen hat, konnte sie eine beträchliche
politische, militärische, kulturelle und diplomatische Kraft erlangen
und die Gesellschaft entscheidend verändern und umgestalten. Es kann
von einer großen sozialen Revolution ausgegangen werden, die fast
alle reaktionäre, feudale, regionale, Klanbindungen aufgespalten hat.
Statt dessen sind die nationalen Bindungen hervorgetreten. Die ganze Gesellschaft
geht dazu über, unabhängige Bindungen aufzubauen. Dies sollte,
ohne daß die Revolution die Herrschaft übernimmt, als eine revolutionäre
Umgestaltung verstanden werden. Weiterhin haben wir unter den gegebenen
Bedingungen eine kulturelle Revolution durchführen können. Eine
nationale Kultur ist sozusagen im Aufbau; von der Literatur bis über
Musik und bis hin zum Theater ist eine umfangreiche national-kulturelle
Entwicklung in Gang gesetzt und der Gesellschaft ein nationales Bewußtsein
gegeben worden. Die Gesellschaft hat sich ein großes politisches
und nationales Bewußtsein angeeignet. Diese Entwicklung kann als
die zweite große revolutionäre Umgestaltung und Revolution betrachtet
werden. Der dritte wichtige Aspekt ist die Revolution in Bezug zur Frau
und zum Geschlechterverhältnis. Die kurdische Frau konnte bis vor
kurzem unter keinen Umständen weder in die politischen noch kulturellen
Beziehungen der Gesellschaft eintreten. In der Gesellschaft herrschte eine
sehr ‚dunkle‘ Situation für die Frau und ein sehr reaktionär-feudales
Verständnis von ihr. Nach dem Erarbeiten einer gefestigten Machtposition
der PKK in der Gesellschaft konnte die kurdische Frau bisher in einem relativ
intensivem Maße befreit werden. Nicht nur im eigenen Dorf oder Viertel,
sondern in jeder Ecke des Landes kann sie nun am kulturellen, sozialen,
politischen und militärischen Leben teilhaben. Dies hat sich im Laufe
der Zeit auf die internationale Bühne verlagert. Dieser Entwicklungsprozeß
kann als die vielleicht wichtigste Revolution oder revolutionäre Veränderung
in der Gesellschaft gesehen werden. Und dies wurde erreicht, ohne daß
die Herrschaft über das Land in der Hand der KurdInnen liegt. Weiterhin
wurde eine nationale Einheit geschaffen. Obwohl kein Herrschaftsorgan unter
unserer Kontrolle ist, wurden die Grenzen sowohl in den Köpfen als
auch in der Praxis überwunden. Beziehungen unter den KurdInnen wurden
von der einen bis in die anderen Ecke Kurdistans aufgebaut. Dies steuert
jetzt auf eine Einheit in der Sprache, im Geist und sogar im Leben zu.
Am deutlichsten sind diese Veränderungen in der Guerilla und im politischen
Leben zu erkennen. Hierbei handelt es sich um eine andere revolutionäre
Umgestaltung. Nach diesem Aufgeführten steht vor uns eine große
Bewegung der Aufklärung der kurdischen Bevölkerung. Alle Klassen
und Kategorien und alle rückständige Teile der Gesellschaft erfahren
momentan eine umfangreiche Aufklärung und Veränderung in ihrem
Bewußtsein. Wir sind mit einer Volksrealität in Kurdistan konfrontiert,
die heute die Welt kennt, bewertet und eine Stufe erreicht hat, von der
es dementsprechend die eigenen Interessen vertreten kann. Dies kann als
eine aufklärerische Revolution bezeichnet werden. Aus dem oben Gesagten
hervorgehend folgern wir, daß die demokratische und revolutionäre
Umgestaltung und Formung der Gesellschaft nicht die Übernahme der
Herrschaftsinstitutionen bedingt. In vielen anderen Ländern sind diese
Entwicklungen im umgekehrten Fall eingetreten. Kurdistan hat uns jedoch
gelehrt, daß all diese Entwicklungen auch ohne Herrschaftsinstitutionen
geschaffen wurden. Niemand stützte sich dabei auf diese Institutionen,
die erleichternd auf solch eine Umgestaltung wirken. Ohne solche Herrschaftsorgane
ist eine Veränderung der Gesellschaft tiefgreifend und langfristig
gesehen fundierter, weil auf diese Weise bezüglich des Themas viel
detaillierter und grundlegender analysiert werden muß. Nach diesen
gesetzten Pfeilern und diesem Rahmen beinhaltet das Projekt der Demokratischen
Republik und die These der Revolution folgendes: Erstens; auch ohne die
Herrschaft in der Hand zu haben, d.h. solange die Bourgeoisie und die herrschenden
Staatskräfte an der Macht sind, kann eine revolutionäre Umgestaltung
und Veränderung für uns im positiven Sinne erreicht werden. Wenn
der politische Kampf ausgeweitet wird, d.h. diese herrschenden Kräfte
auf der politische Bühne bedrängt und in begrenztem Maße
eine gewisse eigene Herrschaft hergestellt wird, kann die demokratische
Umgestaltung weiter vorangetrieben werden. Von der These der Demokratischen
Republik soll in erster Hinsicht dies abgeleitet werden. Zweitens; in Anbetracht
der als wertlos zu bewertenden Thesen können wir folgendes konkret
und ganz offen mitteilen: Die Demokratische Republik muß als ein
einzelnes Stadium aufgefaßt werden. Es ist nicht eine Vorstufe der
sozialistischen Revolution oder Vorbereitungszeit des sozialistischen Aufbaus.
Es muß selbst als eine Einheit gesehen werden. Dies ist sowohl aus
zeitlichen Gründen als auch aus der Sicht der Vorbereitung auf ein
höheres System und auf den sozialistischen Aufbau notwendig. Wenn
dieser Zeitraum kurz gehalten, also eine Abkürzung zu nehmen versucht
wird, kehrt man zwangsläufig zum Anfang zurück, was uns der Realsozialismus
bewiesen hat. Auch wenn schnelle und kurzfristige Erfolge erzielt werden,
wirft einen die Realitäten nach einer gewissen Zeit wieder an der
Anfang zurück. Zwar sind die Bedingungen des Rußlands von 1917
nicht ganz deckungsgleich mit denen von heute, doch haben die Probleme
von damals die gleiche Qualität wie heute. So liegt Rußland
technisch gesehen hinter der Zeit zurück. Das ökonomische, kulturelle
und soziale Leben befindet sich weit hinter dem des Westens. Wie kann sich
ein solches System, das seine Länder so weit hinter die fortgestrittenen
Welt wirft, als Vorbild dienen? Überhaupt nicht. Die Demokratische
Revolution ist ein eigenes Stadium Wie oben aufgeführt kann die Zeit
der Demokratischen Revolution nicht als eine Vorstufe zum Sozialismus angesehen
werden. Da es als eine eigene Phase gewichtet werden muß, wird es
eine längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Gesellschaft wird an das
demokratische Leben als Ganzes herangeführt, infolge dessen die Gesellschaft
heranreift, sich weiterentwickelt und ein neues Niveau erreicht. Erst danach
kann die Revolution oder der Sozialismus als eine höhere Stufe eingeleitet
werden. Allerdings sollte angeführt werden, daß diese Art des
Weges nicht nur auf Kurdistan zu begrenzen ist, sondern eine universelle
Qualität besitzt. Im konkreten Fall Kurdistans tritt es in Erscheinung
und ist auf Länder wie Lateinamerika, Indochina, Nahen Osten, Balkan
und Afrika zu übertragen – wobei natürlich auf die besonderen
Gegebenheiten zu achten ist -, also auf Länder und Regionen, in denen
bis heute keine Entwicklung erreicht werden konnte. Daß jedes Land,
jede Region zu beachtende Unterschiede hat, zeigt sich sogar zwischen Nord-Kurdistan
und der Türkei zu Süd-Kurdistan und dem Irak oder zu Ost-Kurdistan
und dem Iran. In einer demokratischen Republik können wir einiges
von der türkischen Bevölkerung erlernen und auch dieser etwas
zurückgeben. In dieser Frage werden die KurdInnen keine Schwierigkeiten
erleben. Wenn wir uns die historische Entwicklung der KurdInnen, die zumeist
von fremder Besatzung geprägt war, vor Augen halten, so erkennen wir,
daß die KurdInnen sowohl für sich als auch für andere Länder
und Völker gelebt haben. Die kurdische Bevölkerung hat sich im
Laufe der Zeit die nationalen Werte der Türken, Araber und Perser
angeeignet, was jedoch immer mehr zum Ausschöpfen und Verbrauch, d.h.
zu einem Entfremden und Lossagen von den eigenen nationalen Werten führte.
Die kurdische Freiheitsbewegung lehnt nicht die nationalen Werte anderer
Menschen ab, vielmehr trat der internationalistische Charakter in den Vordergrund.
Wogegen stellen? Mit der Aneignung dieser nationalen Werte wurden die eigenen
Werte verdrängt, was langsam zu einem Auslöschen der Kulturgeschichte
bis zu etwa vor etwa 10 bis 15 Jahren führte. Mit der 25-jährigen
Bewegung und dem 15-jährigen Befreiungskampf wurde diese Entwicklung
gestoppt und ein nationaler Widerstand an den Tag gelegt. Die kurdische
Bevölkerung hat seine nationalen Werte kennengelernt, sich dieser
wieder genähert und die Kraft, Fähigkeit und Möglichkeit
erarbeitet, diese zu entwickeln. Hier an diesem Punkt lehnt die Freiheitsbewegung
nicht die nationalen Werte des türkischen, arabischen und persischen
Volkes ab, statt dessen können diese sogar eine vielfalt Ergänzung
für die kurdische Bevölkerung selbst darstellen. Auf dieser Basis,
zusammen mit diesen drei Kulturen zu leben ist keine Ablehnung unserer
eigenen Kultur. Heute haben wir die Kraft und Fähigkeit erreicht auf
gleichberechtigter Ebene mit diesen Völker nebeneinander leben zu
können. Jetzt einen eigenen Staat zu haben, ist keine dringende Aufgabe
und Notwendigkeit. Es soll nicht behauptet werden, daß es falsch
sei, einen unabhängigen Staat zu lenken und zu führen. Doch wenn
wir uns die Realitäten der Region, auch die aktuellen und historische
Realität vor Augen führen, ist es jetzt nicht von Nutzen, einen
eigenen unabhängigen Staat zu errichten. Ohne Zweifel ist solch eine
Entwicklung zu bejahen, doch dann hätten die KurdInnen das große
Problem der Verwirklichung dessen. Die Gleichgewichtskonstellationen auf
der Welt und im Nahen Osten und die Charaktere der über Kurdistan
herrschenden Länder machen es praktisch unmöglich. Sollte bei
dieser Realität unnötig auf der Strategie beharrt werden oder
besser ohne das eigene Wesen zu verlieren und zu vernachlässigen eine
Lösung formuliert werden? Die kurdische Seite muß Lösungen
formulieren, vorschlagen und fordern. Und diese Lösung ist keine Föderation
oder Autonomie, sondern die Demokratische Republik. Auf diesem Weg wird
die Tür offen gehalten sich, auf begrenzter Geographie sozial, kulturell
und ökonomisch zu vertiefen, andere Nationen in der Region sozial,
kulturell, ökonomisch und politisch zu beeinflussen und von ihnen
positive Elemente zu übernehmen. So wird eine Verwirklichung eines
eigenen unabhängigen Staates noch greifbarer. Eine Föderation
hingegen wird durch Grenzen eingeschränkt. Von den Nachbarvölkern
kann weder was genommen noch kann ihnen etwas gegeben werden. Bei einer
Autonomie verhält es sich genauso. Dies sei nicht im negativen Sinne
gesagt. Bei einer Föderation und Autonomie nähern die anderen
Teile der Gesellschaft sich nicht so sehr freiwillig der kurdischen Frage,
sie akzeptieren sie aus gegebenen Gründen. Sie sind gezwungen etwas
einzugestehen. Aber sobald sie sich wieder stark genug fühlen, werden
sie versuchen, das einzuschränken. Hier ist der Charakter des jeweiligen
Regimes nicht entscheidend, d.h. eine Föderation oder Autonomie ist
kein Maß dafür, ob es sich um einen demokratischen Staat handelt.
Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wird es sich Bestreben geben, die Autonomie
oder Föderation zurückzunehmen, da das Regime diesen keinen Wert
beimißt. Eine Folge solch einer Entwicklung wären wiederholte
Auseinandersetzungen und Kämpfe. Unter den existenten Bedingungen
auf der Welt und im Nahen Osten ist eine demokratische Republik die geeignetste
Lösung, da die Möglichkeit geboten wird, die herrschende Nation
durch eigene Werte zu beeinflussen und etwas von ihren positiven Elementen
zu übernehmen. Vor uns liegt eine große Möglichkeit. Die
kurdische Bevölkerung, die einen 25-jährige Bewegung und einen
15-jährigen Kampf hinter sich gelassen und sich zu einer großen
Kraft formiert hat, kann dies bewätigen und schaffen. Die KurdInnen
trauen sich in dieser Sache so einiges zu. Wichtig ist bei der ganzen Sache
das Wesen und nicht der Schein. Eine demokratische Republik steht den Vorstellungen
nicht im Wege. Wenn nicht auf diese Weise vorgegangen wird, kann keine
Lösung herbeigeführt werden. Diese Ansichten der Freiheitsbewegung
sind eine Synthese der bisherigen Ansichten; aus den bis zu diesem Tage
geäußerten Vorstellungen ist das Beste und Geeignetste hervorgekommen.
Die Vorstellungen über die demokratische Republik sind nicht aus dem
Nichts gekommen, sondern haben eine lange Vorgeschichte, auf die wir in
diesem Artikel etwas detailliert eingegangen sind.