Pressebüro Savanne, hyäne 5/98, nicht publiziert, Rubrik Internationalismus


Bosnien: Internationales Spiel mit Verbrechern

Die Lage in Bosnien spitzt sich zu. Unter dem Druck des Auslands muss zwar die kroatische Regierung so tun, als ob sie den muslimischen und serbischen Flüchtlingen die Rückkehr in den kroatischen Teil Bosniens ermöglichen würde. Auf der anderen Seite stiftet sie die Bevölkerung dazu an, diese Rückkehr zu verunmöglichen. In der Stadt Jajce sollten 500 muslimische Flüchtlinge in ihre Häuser zurückkehren. Vor den Toren der Stadt wurden sie von einer grossen Menschenmenge angegriffen, unter der sich auch viele Polizisten befanden. Ein muslimischer Mann wurde aus einer Dienstwaffe erschossen. Viele wurden verletzt. Die muslimischen Flüchtlinge waren gezwungen, wieder umzukehren. Die kroatische Seite hat die Gelegenheit benutzt, die Häuser der muslimischen Flüchtlinge in Brand zu setzen und damit unbewohnbar zu machen. Ähnliche Vorfälle sind auch aus anderen Städten bekannt: Drvar, Stolac, der westliche Teil Mostars, Busovaca und Vitez.

Die muslimische Führung tut sich schwer damit zu erklären, wohin die finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau Bosniens verschwunden ist. Der grösste Teil dieser Hilfe ist in private Taschen gewandert. Der Westen verweigert jegliche weitere Hilfe, bis der Verbleib des bisherigen Geldes geklärt ist.

Der aktuellste Konflikt ist zur Zeit der Machtkampf in den serbischen Teilen Bosniens. Obwohl im Dayton-Abkommen das gesamte Bosnien als ein Staat anerkannt wird und darin die Republik Srpska nicht existiert, scheinen sich die westlichen Medien darauf geeinigt zu haben, immer wieder über die Republik Srpska zu berichten und sie damit faktisch anzuerkennen. Auf der einen Seite des Konflikts stehen die NationalistInnen unter der Führung von Radovan Karadzic, auf der anderen Biljana Plavsic mit ihren ``PazifistInnen''.

Wer Karadzic ist, wissen wir alle: Schriftsteller, Psychiater, Krimineller, Nationalist und Kriegsverbrecher. Über ihn ist fast alles gesagt. Ganz im Gegenteil dazu über Biljana Plavsic. Frau Plavsic ist keinesfalls die liebenswürdige, friedensbestrebte Frau, die sie vorgibt zu sein. Wer sich zurückerinnern will, weiss noch, dass B. Plavsic von Karadzic persönlich als Präsidentin der Republica Srpska eingesetzt wurde, nachdem Karadzic auf internationalen Druck hin alle seine politischen Funktionen aufgeben musste. Die westlichen Medien bezeichneten sie damals als Hardlinerin und sahen in ihr die grösste Gefahr für das Dayton-Abkommen. Schon damals zeigte sie nur Hass allem gegenüber, was nicht serbisch ist. Sie war von allem Anfang an gegen den Einsatz internationaler Schutztruppen in Bosnien, die sie als Besatzungstruppen bezeichnete. Selbst unter den NATO-Bombardements auf serbische Gebiete in Bosnien hat sie sich bis zum Schluss geweigert, dem Druck von aussen nachzugeben. Ihre Worte waren damals: ``Es können eine Million Serben sterben, aber wir werden unseren Staat haben.''

Und nun, plötzlich, soll B. Plavsic unseren Respekt und unsere Unterstützung verdienen. Wir müssen uns im klaren sein, dass B. Plavsic ihre Meinung keineswegs geändert hat, was sie auch immer beteuert. Warum ist B. Plavsic für die westlichen Mächte so wichtig? Schon lange versucht die NATO, eine politische Alternative zu Karadzic aufzubauen. Bis zu den Massakern in Srebrenica war Karadzic Verhandlungspartner der NATO gewesen. Damals wurde jedoch klar, dass Karadzic keine Kompromisse eingehen würde, welche die Gründung einer serbischen Republik in Bosnien gefährden könnten. Eine solche Republik darf es aber auf keinen Fall geben. Denn dann würden auch kroatische NationalistInnen ihren Teil von Südbosnien (Herzegovina) abspalten und zu Kroatien schlagen. Damit würde Restbosnien mitten in Europa zu einem rein muslimischen Staat werden. Das aber gilt es unter allen Umständen zu verhindern. Dieser Staat wäre nämlich nicht ohne äussere Hilfe wirtschaftlich nicht überlebensfähig und stünde damit unter dem Einfluss der arabischen Welt. Um diese Entwicklung zu verhindern, versucht der Westen, KroatInnen und SerbInnen dazu zu zwingen, mit den MuslimInnen in Bosnien zusammenzuleben.

Es ist kein grosses Geheimnis, dass auch in der muslimischen Regierung ein Teil der Izetbegovic-treuen Leute für eine Teilung von Bosnien ist.

Deswegen versuchte die NATO schon früher, einen Innenminister für das Dayton-Abkommen zu gewinnen und gegen Karadzic aufzubauen. Karadzic aber durchschaute das Spiel und entfernte den Minister aus seiner Funktion. Diesmal versucht die NATO direkt auf der Ebene der Präsidentin anzusetzen: B. Plavsic. Die Präsidentin erhielt auch militärische Hilfe von den UNO-Truppen: In Banja Luka und Priedor stürmten sie Polizeistationen und entfernten alle Karadzic-treuen Leute. In Bjelina verhinderte eine aufgebrachte Bevölkerung ein solches Vorgehen, indem sie die UNO-Truppen mit Steinen angriff.

Karadzic ist es wegen seiner Geschichte nicht möglich, das Dayton-Abkommen -- das ja von ``Verrätern'' unterschrieben wurde -- im Nachhinein anzuerkennen. Er weiss die Bevölkerung hinter sich in seiner Forderung nach einer serbischen Republik. Schliesslich hat diese fünf Jahre dafür gekämpft. Biljana Plavsic hat zwar eine ähnliche Vergangenheit. Sie gehörte zur nationalistischen Elite, war aber trotzdem genügend weit von der Spitze, um sich jetzt eine Umkehr und Reue zu leisten. Ihr Ego, aufgebaut von der westlichen Diplomatie, treibt sie nun so weit, dass sie das Schicksal von Tausenden von Landsleuten riskiert, um ihre Macht zu festigen. Es ist klar, dass Karadzic und seine GenossInnen ihre Privilegien nicht ohne weiteres abtreten werden. Und ein Grossteil der Bevölkerung sieht die UNO-Truppen als Besatzungsmacht, und B. Plavsic als ihre fünfte Kolonne.

Karadzic wird vom Westen als Kriegsverbrecher verfolgt. Eine geheime Liste von gesuchten Kriegsverbrechern, die neben der offiziellen existiert, hat einige Verwirrung gestiftet. Viele DiplomatInnen haben Angst, ins Ausland zu reisen, da sie nicht wissen können, ob ihr Name auf dieser Liste steht. Selbst innerhalb der Republik Srpska sind sich die AnhängerInnen Karadzics ihres Lebens nicht sicher. Als Rettungsmannschaft des IKRK (Internationales Komitee des Roten Kreuzes) getarnt suchten UNO-Truppen den ferienhalber an einem isolierten Ort im Wohnwagen lebenden ... auf und brachten ihn um. Darauf reagierte die serbische Bevölkerung Bosniens mit Angriffen auf die UNO-Truppen, und verständlicherweise setzte auch das IKRK eine Protestnote auf.

Karadzic selber können die UNO-Truppen nicht so einfach eliminieren, da er dadurch zum Märtyrer zu werden drohte. Deswegen versucht der Westen, über die Presse und mit Biljana Plavsic, Karadzics Einfluss auf die Bevölkerung zu mindern. Niemand glaubt im Ernst, dass Biljana Plavsic Bosnien den Frieden bringen wird. Sie gehört dem engen Kreis der Leute an, die diesen Krieg gestiftet haben. Tausende sind als Opfer der Ideologie von Karadzic und Plavsic gefallen. Karadzic selber ist auch Opfer der Politik von Slobodan Milosevic und Franjo Tudjman. Solange jene beiden Verbrecher frei herumlaufen, wird in Bosnien kein Frieden möglich sein. Und Plavsic ist lediglich eine Figur in diesem perversen Spiel.

(Dr. Griso und Marc Riel)


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Letzte Änderung 1999-11-21