Pressebüro Savanne, hyäne 1/96, Seiten 16-19, Rubrik Gockel vom Sockel


Gockel vom Sockel
25.11. - Internationaler Kampftag gegen alle Formen von Gewalt an Frauen
Arbeitsgruppe ``Solidarität mit illegalisierten Frauen''


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Siehe auch Seiten 3 und 4 des Flugblatts

GOCKEL VOM SOCKEL

25. November - Internationaler Kampftag gegen alle Formen von Gewalt an Frauen

Am 25. November 1984 starben in Thailand bei einem Bordellbrand mehrere Frauen. weil sie an ihre Betten gekettet waren. Ebenfalls am 25. November wurden 3 Nonnen in der Dominikanischen Republik unter dem Arujillo-Regime von Militärs gefoltert, vergewaltigt und ermordet.

Deshalb gehen jedes Jahr in verschiedenen Ländern des Trikont (der sogenannten "3. Welt") Frauen auf die Strasse, um sich gegen alle Formen von Gewalt an Frauen zu wehren. Die Frauenbewegung der "1. Welt" hat sich diesem Aktionstag angeschlossen.

Auch hier in Zürich gehen wir am 25. November auf die Strasse. Um die alltägliche und allgegenwärtige Gewalt gegen Frauen anzuprangern:

Seit einiger Zeit häufen sich die brutalen Razzien und Angriffe der Polizei gegen illegalisierte Sexarbeiterinnen. Mindestens zwei Frauen erlitten dabei schwere Verletzungen.

Eine Frau wurde in ihrem Zimmer von zwei Polizisten dermassen schikaniert und bedroht, dass sie aus dem Fenster sprang und sich dabei schwer verletzte. Sie wurde bereits 3 Wochen später - im Rollstuhl, beide Beine eingegipst - ausgeschafft, obwohl die notwendige medizinische Behandlung nicht abgeschlossen war. Am 17.10.96 gab es aufgrund dieses Vorfalles eine Protestaktion auf dem Flughafen Kloten.

Nur wenige Wochen später sprang eine 24jährige Frau aus Kamerun - von der Polizei gejagt - in eine 4 Meter tiefe Garageneinfahrt. Auch sie verletzte sich schwer.

Für viele Migrantinnen ist die Arbeit in der Sexindustrie eine der wenigen Möglichkeiten die eigene und die Existenz ihrer Familie zu sichern. Die Migration in die "reichen Länder" ist eine Ueberlebensstrategie. Wegen derzunehmenden Verarmung weiter Teile der Bevölkerung in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas ausgelöst durch Strukturanpassungsmassnahmen von IWF und Weltbank, freie Exportzonen mit verschärften Ausbeutungsbedingungen etc ist Migration häufig der einzige sichtbare Ausweg.

Flüchtlingsfrauen haben hier fast keine Chance auf Anerkennung. Frauenfluchtgründe werden nach wie vor nicht anerkannt und Frauen meist nur als Anhängsel eines Mannes wahrgenommen. Das 3-Kreise-Modell schliesst Frauen aus dem Trikont vom Arbeitsmarkt aus, so bleibt ihnen keine andere Möglichkeit als illegal zu arbeiten.

Einzig mit dem Artistinnen-Visum können Migrantinnen als Striptease-Tänzerinnen unter miserablen Arbeitsbedingungen 8 Monate lang legal arbeiten, sofern sie ununterbrochen Arbeitsverträge vorweisen können. Andere Möglichkeiten sind die Heirat mit einem Schweizer Mann oder die Einreise mit dem Touristinnenvisum, um als illegalisierte Hausangestellte oder Prostituierte zu arbeiten.

Die restriktive AusländerInnenregelung der Schweiz zwingt die Migrantinnen in Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse. So sind Hausangestellte miserablen Arbeitsbedingungen (mit 7-Tage-Woche und 12-16-Stunden-Tag auf Abruf, niedrigen Löhnen, psychischer und physischer Gewalt, Isolation) unterworfen. Da sie meist keine Aufenthaltsbewilligungen haben, sind sie der Willkür ihrer ArbeitgeberInnen schutzlos ausgeliefert. Illegalisierte Sexarbeiterinnen haben keine Möglichkeit, sich gegen übersetzte Mieten, sexuelle Gewalt und polizeiliche Uebergriffe zu wehren und müssen ausserdem dauernd vor der Polizei auf der Hut sein, um nicht ausgeschafft zu werden. Ausländische Ehefrauen sind der Gewalt und Willkür ihrer Ehemänner ausgesetzt, da ihre Aufenthaltsbewilligung von der Ehe abhängt.

Die rechtlose Situation von Migrantinnen begünstigt die Profitinteressen von Menschenhändlern, Zuhältern, Ehe-männern, Freiern, Agenturen, Staat, Polizei etc. Ausserdem werden sie so per Gesetz auf reproduktive Funktionen in patriarchalen Verhältnissen reduziert.

Die gesellschaftliche Doppelmoral erscheint bei illegalisierten Hausangestellten und Sexarbeiterinnen besonders offensichtlich. Einerseits sind sie aufgrund der bestehenden Nachfrage toleriert, andererseits werden sie ausgewiesen sobald sie öffentlich werden.

Die frauenspezifischen Formen von Migration (Heiratsmigrantinnen, Hausangestellte, Cabaret-Tänzerinnen, Prostituierte) drängen Frauen in Arbeit, die gemäss Systeminteresse mehrheitlich unsichtbar gemacht wird. Die vom patriarchalen System als weiblich definierte Arbeit, die Frauen in den Industrieländern verweigern und/oder nicht mehr in ausreichendem Masse übernehmen, wird so Frauen aus dem Trikont zugewiesen, statt dass sie abgeschafft oder zwischen Männern und Frauen geteilt würde.

Prostitution ist zwar gesellschaftlich geächtet, aber jeder Mann ist problemlos Freier. Allein im Jahr 1994 betrug der Umsatz im Prostitutionsgeschäft in der Schweiz gegen 3 Milliarden Franken. Diese Summe entspricht derjenigen eines mittleren Konzerns. Neben dem Waffen- und Drogenhandel werden mit Prostitution und Frauenhandel weltweit die grössten Gewinne herausgepresst.

Je mehr Frauen durch das repressive Ausländerlnnen(un)recht illegalisiert werden, desto profitabler wird die Frauenmigration für Schlepper, Frauenhändler, ArbeitgeberInnen, Freier. Ehemänner, Staat, Polizei...

Um sich gegen die Illegalisierung von Migrantinnen zu wehren und ihre Solidarität auszudrücken, haben Frauen diesen Sommer Spaziergänge durch den Kreis 4 organisiert. Sie machten mit Reden, Musik und Schrifttafeln auf die Situation der illegalisierten Frauen aufmerksam. Auch der 25. November ist eine Möglichkeit, gemeinsam auf die Strasse zu gehen.

Zwang zur Arbeit im Sexgewerbe ist Gewalt an Frauen. Solidarisieren wir uns mit ihnen!


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Siehe auch Seiten 1 und 2 des Flugblatts

[Der Text der Seiten 3 und 4 dieses Flugblatts ist in einer Schrift gesetzt, die unser Scanner sich bisher weigert zu verstehen. Wir müssen erst mal Zeit finden, den Text zu tippen. (Hilfe ist jederzeit willkommen!)]


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Letzte Änderung 1997-06-02