06.03.2000

Kriegserklärung aus Washington
Hinter Hilfsplan für Kolumbien verbirgt sich verstärkte Einmischung

Eine »Kriegserklärung« sieht Raul Reyes, Sprecher der Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC), in dem hauptsächlich von den USA unterstützten »Kolumbien-Plan« des Präsidenten Andres Pastrana. Daher appellierte er in der vergangenen Woche an die Europäer, den Plan nicht zu unterstützen, weil 85 Prozent der »Hilfe« in die Eskalation des Krieges gingen. Der 3,5 Milliarden schwere und auf drei Jahre angelegte »Kolumbien-Plan« soll offiziell den Anbau und Schmuggel von Drogen bekämpfen und die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Region fördern. Für FARC-Sprecher Reyes verbirgt sich hinter dem »Kolumbien-Plan« jedoch nichts anderes als »eine verstärkte Form der Einmischung der Vereinigten Staaten in unsere inneren Angelegenheiten«.

Ein großer Teil der amerikanischen Unterstützung für Kolumbien ist in der Tat für die militärische Aufrüstung der kolumbianischen Armee vorgesehen, die nachweislich in enger Zusammenarbeit mit paramilitärischen Gruppen steht, die immer wieder für neue Massaker an der Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht werden. Allein die Gewalttaten gegen Zivilisten, die von der rechtsradikalen paramilitärischen Einheit AUC in den letzten zwei Wochen in den nördlichen Provinzen Sucre und Bolivar verübt wurden, haben nach Angaben von Korrespondenten mindesten 50 Menschenleben gefordert. Reyes warnte denn auch, daß die jüngste Reihe von Angriffen auf die Zivilbevölkerung durch paramilitärische Gruppen die weitere Teilnahme der FARC an den Friedensgesprächen in Frage stellt, die 1998 in die Wege geleitet worden waren.

Obwohl internationale Menschenrechtsgruppen immer wieder Beweise für die engen Verbindungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Paramilitärs vorgelegt haben, werden solche Beziehungen von der Regierung in Bogota empört zurückgewiesen. Den selbsterklärten Menschenrechtsschützer Clinton scheinen die von den US- Freunden verübten Massaker ebenfalls nicht weiter zu stören. Der US-Präsident übt statt dessen Druck auf den Washingtoner Kongreß aus, um dessen Zustimmung für sein zusätzliches »Hilfspaket« von 1,3 Milliarden Dollar für Kolumbien zu bekommen. Das besteht zu 80 Prozent aus militärischer Aufrüstung zur besseren Drogen- und Guerillabekämpfung. Kolumbien ist nach Israel und Ägypten bereits der drittgrößte Empfänger amerikanischer Hilfe.

Als sich Anfang des Jahres abzeichnete, daß die Aktionen von US-Bürgerrechtsaktivisten zum Stopp der Militärhilfe für Bogota nicht ohne Wirkung bleiben werden, bedrängte Ende Februar das US-Verteidigungsministerium den Kongreß, die Vergabe der Militärhilfe nicht an die Bedingung zu knüpfen, daß die kolumbianische Armee ihre Verbindungen zu den paramilitärischen Einheiten trennt.

Rainer Rupp, junge Welt
 

Interview:

29.02.2000

Warum bereisen FARC-Vertreter Europa?
jW fragte Juan Antonio Rojas, Europasprecher der Internationalen Kommission der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC)

F: Am Sonntag ging eine mehrwöchige Rundreise der FARC zusammen mit kolumbianischen Regierungsvertretern in Europa zu Ende. Welchen Zweck hatte diese Reise?

Die Delegation wurde aus Mitgliedern der FARC, des kolumbianischen Parlaments sowie Wirtschaftsvertretern und der Regierung gebildet. Die Idee war, verschiedene Länder zu besuchen, in denen ein funktionierendes Sozialsystem und eine soziale Verteilung des Reichtums existiert. Schließlich wurde es diesen Ländern so lange Zeit möglich, in Frieden zu leben und den Fortschritt voranzutreiben, so etwa in Schweden, Norwegen oder der Schweiz. Wir wollen diese Systeme keineswegs kopieren, sondern uns davon inspirieren lassen.

F: Welches Interesse haben Länder wie Schweden oder Norwegen an der politischen Entwicklung in Kolumbien?

Kein spezifisches. Es ist eine Hilfestellung, um die wir gebeten haben. Diese Länder eröffnen uns die Möglichkeit, die politische und wirtschaftliche Strukturen zu studieren. Wir wollen auch in Kolumbien ein politisches System etablieren, in dem alle Parteien und Strömungen einen Platz finden.

F: Deutschland war keine Etappe der Rundreise ...

Wir haben Deutschland nicht besucht, weil wir nur direkten Einladungen der Regierungen gefolgt sind. Die deutsche Regierung hatte daran anscheinend kein Interesse. Wir sind noch dabei, hinreichende Kontakte zur deutschen Regierung aufzunehmen, aber nach wie vor herrscht eine etwas angespannte Atmosphäre.

F: Vor kurzem hat der Außenminister Kolumbiens eine ähnliche Reise in Europa unternommen, um für den »KolumbienPlan« zu werben, einen Entwicklungsplan, für den erhebliche finanzielle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft benötigt wird. Ist Ihre Rundreise eine Antwort darauf?

Nein. Dieser sogenannte Kolumbien-Plan wurde einer Reihe von Ländern vorgestellt, um so 7,5 Milliarden US-Dollar Hilfe anzuwerben. Der Plan wurde unter Aufsicht der US- Regierung entwickelt, die bereits 1,6 Milliarden Dollar zugesagt hat. Ein Großteil dieses Geldes soll in Militärmaterial, so etwa Panzer und Kampfhubschrauber, investiert werden. Übrig bleiben vielleicht 20 Prozent für den dringend benötigten Aufbau der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur. Es wäre begrüßenswert, wenn dieses Geld für den Friedensprozeß verwandt würde, also für die zivilen Bereiche, in denen die Mittel dringend benötigt werden. Das sind auch unsere Forderungen in den laufenden Verhandlungen.

F: Während der Reise sind Vertreter der FARC auch mit Militärs der NATO zusammengetroffen.

Es gab eine Unterredung zwischen einem hochrangigen norwegischen NATO-Kommandeur und dem Kommandanten und Sprecher der FARC, Raul Reyes. Dieses Gespräch war für uns sehr wichtig, denn so konnten wir darlegen, daß in Kolumbien eine Guerillabewegung, eine politische Bewegung existiert, die einen bewaffneten Kampf führt. Es geht dabei um die Anerkennung der FARC als kriegführende Partei mit allen im internationalen Kriegsrecht festgeschriebenen Rechten und Pflichten.

F: Wollen Sie mit solchen Treffen ein Gegengewicht zu einer drohenden Militärintervention der USA in Kolumbien schaffen?

Ja, denn die Vereinigten Staaten vermitteln ständig das Bild direkter Beziehungen zwischen dem Drogenhandel und der Guerilla. Daher auch die Bezeichnung der FARC als »Drogenguerilla«. Mit dieser Rundreise und den Gesprächen in Europa wird diese Propaganda widerlegt. Wir machen deutlich, daß ein konstruktiver Dialog mit Vertretern der Regierung, Parlamentariern und Wirtschaftsvertretern möglich ist. Wir suchen gemeinsam eine Lösung des bewaffneten Konfliktes und des Problems des Drogenhandels, unter dem die ganze Welt leidet.

F: Laut einem Bericht der Agentur AFP sind die FARC in den Verhandlungen Kompromisse eingegangen, die eine Neuorientierung des politischen Programms andeuten. So soll das revolutionäre Agrarprogramm gemildert worden sein. Es gehe nunmehr lediglich um die Verteilung brachliegenden Landes, das als privates Eigentum anerkannt werden soll. Können Sie diese Meldungen bestätigen?

Seit dem Beginn des bewaffneten Kampfes im Jahr 1964 verfolgen wir ein umfassendes Agrarprogramm (Agrarprogramm der Guerrilla FARC­-EP). Darin wurde festgelegt, daß privater Großgrundbesitz bis zu einer bestimmten Ausdehnung unangetastet bleibt. Insofern haben wir privates Eigentum schon immer anerkannt. Heute fordern wir das gleiche. Doch es gibt verschiedene Formen privaten Eigentums. Es gibt genossenschaftliches Eigentum, das im strengen Sinne ja auch privat ist, es gibt private Unternehmen und es gibt Kleinbetriebe. Wir messen alle diese wirtschaftlichen Einheiten daran, wie sie mit ihren Angestellten umgehen. Wenn die Arbeiter ein gerechtes, also der Arbeit angemessenes Gehalt bekommen, mit dem sie sich und ihren Familien ein menschenwürdiges Leben ermöglichen können, dann haben wir keine Einwände.

Im Agrarprogramm haben keine Änderungen stattgefunden. Ganz im Gegenteil: Diese Forderungen sind aktueller denn je.

F: Welche Hoffnungen setzen Sie in die neue Verhandlungsrunde, die am 20. Februar begonnen hat?

Die demokratische Ausrichtung ist der wichtigste Aspekt. Uns geht es nicht darum, nur auf Regierungsebene zu verhandeln. Alle relevanten Sektoren der Gesellschaft müssen an dem Friedensprozeß teilhaben. Die Wirtschaftsvertreter zählen dazu genauso wie die Gewerkschaften und Genossenschaften, die Professoren wie die Studenten. Das gesamte Volk soll seine Meinung einbringen.

Interview: Harald Neuber

Dokument:

Agrarprogramm der Guerrilla FARC­EP

Proklamiert am 20. Juli 1964 während der bewaffneten Kämpfe von Marquetalia, überarbeitet und erweitert durch die Achte Nationalkonferenz der FARC­EP am 2. April 1993

Genossen Bauern, Arbeiter, Studenten, Handwerker, Intelektuelle, Soldaten, patriotische Polizeiangehörige und Offiziere, Männer und Frauen Kolumbiens:

Opfer von fünf Kriegen

Wir sind Kraft und Nerv der revolutionären Bewegung, die schon seit 1948 andauert. Gegen uns, Bauern und Landarbeiter des Südens von Tolima, Huila und Cauca, wird seit 1948 die Macht der grossen Latifundien ins Feld geführt, die Macht der Grossviehfarmer, des Grosshandels und Grosskapitals, die Macht der Verschwender in Politik und Wirtschaft, der Organisatoren der Gewalt und der Verbrechen. Wir waren stets die Opfer der von der Oligarchie so hochgelobten und zur Praxis erhobenen Politik «mit Schwert, Blut und Feuer», Opfer des Machtmissbrauchs dieser Oligarchie.

Gegen uns wurden im Laufe der letzten 45 Jahre fünf Kriege entfesselt: der erste seit 1948, der zweite seit 1954, der dritte seit 1962, der vierte seit dem 18. Mai 1964, als die Hohen Herrschaften offiziell erklärten, dass mit diesem Tag die «Operation Marquetalia» beginne, und schliesslich jener fünfte, mit dem wir seit dem 9. Dezember 1990 konfrontiert sind, als der Diktator Gaviria und die Hohen Herrschaften des Militärs die Vernichtungsoperation gegen das Sekretariat der FARC in Casa Verde begannen sowie die militaristische Aggression gegen die Volksbewegung im ganzen Lande.

Wir waren die Opfer der Furie der Latifundisten und Militärs, weil hier, in diesem Teil Kolumbiens, die Interessen der grossen Herren des Landbesitzes alles dominieren, die Interessen zur Unterdrückung und Knebelung durch die finsterste Reaktion des Landes. Darum mussten wir physisch und seelisch all jene Bestialitäten eines verkommenen Regimes erleiden, das der Herrschaft der Finanzmonopole entstammt, die mit dem Imperialismus gemeinsame Sache machen.

Eine versperrter Weg

Aus diesem Grunde sehen wir in diesem Vernichtungsfeldzug gegen uns auch die Teilnahme von Luftstreitkräften, dem Oberkommando und von Spezialisten der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Darum auch wurden 16000 Militärs, ausgerüstet mit sämtlichen Waffenarten, gegen uns losgelassen. Darum wendet man gegen uns die Taktik der ökonomischen Blockade, der Vernichtungskessel, der Luft- und Landangriffe sowie seit neuestem auch des bakteriologischen Krieges an. Darum geben Regierung, Militärführung und Yankee-Imperialismus hunderte Millionen für Waffen, Ausrüstung, Kriegsgerät aller Art, Bestechungsgelder für Spione, Spitzel und Verräter aus. Darum bestechen und korrumpieren die Regierung und das Oberkommando das kolumbianische Volk, morden, verfolgen und kerkern jene Kolumbianer ein, die sich zum solidarischen Kampf gemeinsam mit uns erheben, Opfer eines grausamen und inhumanen Vernichtungskrieges.

Wir haben alles Erdenkliche getan, haben an alle nur möglichen Türen geklopft bei der Suche nach Unterstützung, um einen antikommunistsichen Kreuzzug zu verhindern, der ein Kreuzzug gegen unser Volk ist, der uns in einen langwierigen und blutigen Kampf verwickelt.

Wir sind Revolutionäre, die für einen Wechsel des Regimes eintreten. Aber wir wollten und wir kämpften für einen weniger schmerzhaften Weg zu diesem Ziel für unser Volk: den friedlichen Weg, den demokratischen Weg der Massen. Dieser erwünschte Weg wurde uns jedoch gewaltsam verschlossen unter dem offiziellen faschistischen Vorwand, angebliche «Unabhängige Republiken» zu bekämpfen. Da wir jedoch Revolutionäre sind, die in der einen oder anderen Weise die historische Rolle spielen werden, die uns zukommt, waren wir genötigt, den anderen Weg zu ergreifen: den Weg der bewaffneten Revolution beim Kampf um die Macht.

Das gegenwärtige Regime hat in sein Regierungssystem offene Formen des Faschismus inkorporiert. Auf Kommando der Repressivkräfte wurden die provokatorischsten und abenteuerlichsten Elemente ausgedacht. Die offiziellen bewaffneten Kräfte überführen die «Theorie der Nationalen Sicherheit» in die Praxis, eine Philosophie des Terrors, des Schmutzigen Krieges, des Paramilitarismus und des Todes, unter dem Patronat und auf Geheiss der Orligarchie und einer Gruppe ranghoher Offiziere. Diese haben die Politik, Taktik und Strategie des «Präventivkrieges» und des «Inneren Feindes» zu der ihren gemacht, um die Herrschaft der Monopole, die Ausbeutung unseres Volkes und unserer natürlichen Ressourcen durch den Imperialismus aufrechtzuerhalten und den Kadavergehorsam des Volkes gegenüber einer raubgierigen und reaktionären herrschenden Klasse, wie es die kolumbianische ist, zu verewigen.

Das ist der Grund dafür, dass dieser Krieg in der Gegenwart einen genuin nationalen Charakter angenommen hat, der zwangsläufig breiteste Massen unseres Volkes zum revolutionären bewaffneten Kampf geführt hat gegen die militärischen Stützen des Regimes.

Darum auch hat sich die FARC­EP als eine politisch-militärische Organisation konstituiert, die das Bolivarianische Banner hochhält und die freiheitlichen Traditionen unseres Volkes bewahrt ­ Traditionen des Kampfes für die Volksmacht, die es sich zur höchsten Aufgabe macht, Kolumbien zu seiner nationalen Souveränität zu führen und der Volkssouveränität zu ihrem Recht zu verhelfen. Wir kämpfen für die Etablierung eines demokratischen politischen Regimes, das den Bürgerfrieden in sozialer Gerechtigkeit und die Wahrung der Menschenrechte garantiert, sowie die wirtschaftliche Entwicklung in Wohlstand für alle, die in Kolumbien leben.

Wir treten für eine Agrarpolitik der Latifundien-Verteilung an die Bauern ein. Darum sind wir von heute an, vom 20. Juli 1964, ein Guerrilla-Heer, das für das folgende Agrarprogramm steht:

Erstens: Den Versprechungen Agrarpolitik durch die Oligarchie wollen wir eine effektive, revolutionäre Agrarpolitik gegenüberstellen, die die Sozialstruktur auf dem Lande grundlegend umgestaltet, indem sie das Land jenen vollständig kostenlos zur Verfügung stellt, die es bearbeiten oder bereit sind, es zu bearbeiten. Dies wird ermöglicht durch die Konfiskation der Latifundien, des Grossgrundbesitzes, zugunsten des gesamten werktätigen Volkes.

Die revolutionäre Agrarpolitik wird den durch sie begünstigten Bauern die technische Hilfe und Infrastruktur, Geräte, Ausrüstung und Nutztiere zur Verfügung stellen, die sie benötigen, um das Land wirtschaftlich angemessen zu bearbeiten und zu nutzen. Eine solche revolutionäre Agrarpolitik ist unabdingbar für die Anhebung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus der gesamten Bauernschaft. Sie befreit die Bauernschaft von Arbeitslosigkeit, Hunger, Analphabetismus und den endemischen Krankheiten, die ihre Arbeitskraft beschränken. Sie beseitigt die Fesseln des Latifundismus und setzt Impulse frei zur Entwicklung der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion des Landes.

Die revolutionäre Agrarpolitik wird auch jene Ländereien konfiszieren, die durch Gesellschaften des nordamerikanischen Imperialismus okkupiert sind, unter welchem Titel und welcher Art auch immer ihre Aktivitäten sein mögen, denen sie sich widmen.

Zweitens: Die Siedler, Besetzer, Pächter, Teilpächter, Erbpächter, angestellten Verwalter usw. auf Boden des Latifundiums oder Nation, werden die entsprechenden Besitztitel an dem Land erhalten, das sie nutzen und bearbeiten. Sämtliche rückständigen Typen der Landnutzung werden aufgelöst, die Systeme der Pachten, Teil- und Unterpachten, gleich ob in Naturalien oder Geld.

Auf dem Lande soll eine ökonomische Einheitlichkeit geschaffen werden in Abhängigkeit von Fruchtbarkeit, Standort und Lage des Terrains, mit einem Minimum von 10 bis 20 Hektaren bei ebenen Flächen und in der Umgebung von Siedlungen oder Städten, bei anderen Terrains in Abhängigkeit von der Fruchtbarkeit des Bodens und den Verkehrs- und Kommunikationsverhältnissen. Sämtliche Schulden der Bauern bei Wucherern, Spekulanten, offiziellen und halboffiziellen Kreditinstituten werden annulliert.

Drittens: Die Revolutionäre Regierung wird den Besitz der reichen Bauern respektieren, die ihren Boden selbst bearbeiten. Industrielle Formen landwirtschaftlicher Produktion werden erhalten. Grosse Agrarunternehmungen, die aus Gründen der sozialökonomischen Ordnung erhalten werden müssen, unterliegen der planmässigen Entwicklung zugunsten des ganzen Volkes.

Viertens: Die Revolutionäre Regierung wird ein breitgefächertes Kreditsystem schaffen mit günstigen Rückzahlungsbedingungen, der Versorgung mit Saatgut, der technischen Unterstützung mit Ausrüstungen, Nutztieren, Ackergeräten und Maschinerie aller Art, und zwar ebenso für die Einzelbauern wie für die Kooperativen. Es muss ein planmässiges System der Bewässerung und der Elektrifizierung geschaffen werden sowie ein Netz offizieller agrotechnischer Versuchsanstalten.

Ein ausreichender Gesundheitsdienst muss organisiert werden, dessen Aufgabe die umfassende Sorge für die Probleme der Volksgesundheit auf dem Lande sein wird. Dem Problem der Bildung der Landbevölkerung wird grösste Aufmerksamkeit gewidmet. Der Analphabetismus muss vollständig ausgemerzt werden. Ein Stipendiensystem für die technische Ausbildung und Hochschulstudien der Söhne der Landarbeiter muss geschaffen werden. Ein umfassender Plan für ländliche Lebensweise und Wohnverhältnisse muss realisiert werden, einschliesslich Bau von Verkehrswegen zwischen den ländlichen Produktionszentren und den städtischen Konsumzentren.

Fünftens: Es werden Grundpreise für Agrarprodukte garantiert, die den Produzenten und ihren Familien ein genügendes Einkommen zum Lebensunterhalt sichern.

Sechstens: Die indigenen Gemeinschaften werden geschützt. Es wird ihnen genügend Land zur selbständigen Entwicklung zur Verfügung gestellt und ihnen Hilfe bei der Modernisierung ihrer Anbaumethoden gewährt. Dabei wird ihnen jenes Land zurückgegeben, das von den Latifundisten usurpiert worden ist. Die indigenen Gemeinschaften werden in den Genuss sämtlicher Vorteile der revolutionären Agrarpolitik kommen. Gleichzeitig wird die autonome Organisation dieser Gemeinschaften etabliert unter voller Achtung ihrer Räte und Vorstände, ihrer Lebensweise, ihrer Kultur, ihrer Sprache und internen Organisation.

Siebentens: Die Verwirklichung dieses revolutionären Agrarprogrammes hängt ab vom Bündnis der Arbeiter und Bauern und von der Vereinigten Front (Frente Unido) all jener Kolumbianer, die für den Regimewechsel kämpfen, der einzigen Garantie für die Beseitigung der alten latifundistischen Struktur Kolumbiens. Die Verwirklichung dieser Politik findet die Unterstützung der breitesten Massen der Landbevölkerung, die einen enscheidenden Beitrag leisten bei der Beseitigung der Latifundien. Zur Erreichung dieses Zieles werden potente Kampfvereinigungen der Landbevölkerung geschaffen, starke Gewerkschaften, Nutzniesserkommitees und Kommunalversammlungen. Daher ist die Einführung dieses Programms eine Lebensnotwendigkeit, das Schmieden der breitesten Einheitsfront aller demokratischen, fortschrittlichen und revolutionären Kräfte des Landes um dem Regime der Oligarchie einen permanenten Kampf zu liefern und es zu Boden zu ringen, ein Regime, das im Dienste des Yankee-Imperialismus steht, der die Verwirklichung der Wünsche des kolumbianischen Volkes zu verhindern sucht.

Achtens: Die FARC­EP wird dann in entsprechenden Moment das Erste Gesetz der Revolutionären Agrarpolitik verkünden. Darum fordern wir alle Bauern, Arbeiter, Angestellte, Studenten, Handwerker, Kleinunternehmer und Händler, den Teil der nationalen Bourgeoisie, der bereit ist, gegen den Imperialismus mitzukämpfen, die demokratischen und revolutionären Intellektuellen, alle Parteien und Strömungen der Linken und des Zentrums auf, sich dieser Bewegung anzuschliessen. All jene, die Veränderungen im Sinne des Fortschritts wollen, mögen sich beteiligen an dem grossen revolutionären und patriotischen Kampf für eine demokratische Regierung der Nationalen Befreiung.
 

Kolumbien den Kolumbianern! Alles für den Triumph der Revolution!

Marquetalia, 20. Juli 1964

Manuel Marulanda Vélez, Jacobo Arenas, Rigoberto Losada, Isauro Yosa, Isaías Pardo, Luis Pardo, Jesús María Medina, Darío Lozano, Tarcisio Guaracas, Parménides Cuenca, Roberto López, Miryam Narváez, Judith Grisales, Jesús Ortiz, Rogelio Díaz, Miguel Aldana, Hernando González Acosta, Gabriel Gualteros, Miguel Pascuas, Jaime Bustos, Alcides González y hermanos, David González, Andrés López y hermanos, Luis Salgado, Pedro Ipás, Evaristo Losada, Vicente Torres, Desiderio García, Agustín Cifuentes, Abraham García, Ismael Valderrama, Miguel Garzón, Jaime García, José Domingo Rivera, Mariano Pérez Montes.

RESISTENCIA
die Zeitschrift der ältesten und grössten Guerillabewegung Lateinamerikas in deutscher Ausgabe!

Mehr Infos ... http://www.jungewelt.de/resistencia/